Blutgesicht
Niemand kommt gegen mich und das Blutgesicht an – niemand. Auch du nicht. Aber du bist die erste, die es versucht hat. Alle Achtung.« Er spielte mit der Beretta, die er aufgehoben hatte. »Sie gehört jetzt mir. Ein nettes Souvenir. Man weiß ja nie, wann man sie mal braucht. Du hast mich damit bedroht, jetzt werde ich dich in Schach halten. So liegen die Dinge eben, und auch du wirst nichts daran ändern können.«
Jane stellte eine typische Frage. »Was haben Sie mit mir vor?« Ihre Stimme klang rauh und heiser. Sie war kaum zu verstehen. Zudem hatte der Druck nicht nachgelassen.
»Ich habe nichts mit dir vor«, erklärte ihr der Maler. »Es ist das Blutgesicht. Es wird sich deiner annehmen. Du bist ihm versprochen, Jane. Das solltest du nicht vergessen.«
Die Detektivin fragte nicht weiter. Sie konnte sich leicht vorstellen, was dieses Blutgesicht von ihr wollte. Sie konnte ihm nur ihr Leben geben, vielleicht ihr Blut oder ihre Seele. Da gab es verschiedene Möglichkeiten.
Nathan Lassalle hob den Fuß wieder an. Er trat auch zurück, zielte allerdings auf Jane, die genau wußte, daß dies keine leere Drohung war. Sie würde sich hüten, etwas zu unternehmen und blieb starr liegen.
Lassalle trat zurück und nickte seinem Ebenbild mit dem blutigen Gesicht zu. Die beiden verstanden sich ohne Worte. Das Blutgesicht setzte sich in Bewegung. Es stellte sich hinter Jane Collins auf, bückte sich dann und griff nach ihren Handgelenken. Eine Sekunde später riß es die Arme der Frau so brutal in die Höhe, daß Jane Collins aufschrie und auch ihr Körper etwas vom Boden abhob, so daß er in eine Schräglage hineingeriet.
Darin blieb er auch, denn das Blutgesicht zerrte Jane wieder zurück. Es drehte sich dabei nicht um, es ging selbst rückwärts. Lassalle folgte den beiden, wobei Janes Füße und Beine über den Boden hinwegschleiften und die Absätze Spuren auf dem Boden hinterließen.
Es ging den gleichen Weg zurück. Jane wußte, daß sie verloren hatte. Es gab jetzt keine Chance mehr für sie. Die Augen hielt sie offen. Uber ihr schwamm die Decke hinweg wie ein blanker Himmel. Sie spürte unter sich den kalten Boden, und der Druck um ihre beiden Gelenke war verdammt hart.
Es gab keine Möglichkeit für sie, den beiden zu entkommen, denn der Maler würde schießen, wenn er merkte, daß sein Blutgesicht die Beute nicht bekam.
Aus ihrer Position konnte sie nur auf Lassalle schauen. Sie sah sein breites und trotzdem spitzes Gesicht. Bei jedem Schritt wippten die langen Haare, und der Triumph über diesen Sieg stand in seinen Zügen festgemeißelt.
Jane wollte nicht überlegen, was man mit ihr vorhatte. Wahrscheinlich würde der kleine Raum, in dem jetzt ein leerer Rahmen hing, zu ihrem Grab werden.
Sie hörte sich keuchen. In Höhe des Magens breitete sich noch immer ein taubes Gefühl aus. Sie war als Mensch zu einer Puppe degradiert worden, die der andere einfach hinter sich herschleifte.
Viel zu schnell war die Zeit vorbei. Sie wußte, daß sie die Höhe der Tür erreicht hatten, als das Blutgesicht nicht mehr weiterging. Es gelang ihr, sich auf dieses Monstrum zu konzentrieren. An den Geruch hatte sich Jane mittlerweile gewöhnt, nicht aber an seine verdammten Klauen oder die Haut, mit denen sie überzogen waren. Wieder glaubte sie fest daran, daß es altes Leder war und keine menschliche Haut. Darin steckte keine Wärme, sie fühlte sich rauh und kalt an. Um ihre Handgelenke lag sie wie eine Fessel.
laue wurde gedreht. Auch rauh, denn dabei zuckten in den Schultern Schmerzen auf. Wieder zog man sie über den Boden und in den anderen Raum hinein.
In mein Grab, dachte Jane. Verdammt noch mal, ich werde in mein Grab gezogen!
Lassalle hatte ihre Gedanken beinahe erraten. »Gleich bist du da!« versprach er.
»Wo denn?«
»Laß dich überraschen!«
Die Antwort mußte Jane reichen, denn er fügte nichts mehr hinzu. Das Blutgesicht ließ sie auch nicht los, es faßte sogar noch härter zu, denn seine Hände wanderten an ihren Armen entlang nach oben in Richtung der Schultern.
Jane konnte sich im ersten Augenblick nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte. Sehr bald wußte sie Bescheid. Da zerrte das Blutgesicht sie in die I lohe und umschlang sie mit beiden Armen. Die rechte I fand umfaßte den Hals, die andere spürte sie als Druck auf den Brüsten.
Nathan Lassalle hatte sich alles in Ruhe angeschaut. Er war sich seiner Sache so sicher und gab sich locker. Daran änderte auch Janes Keuchen nichts.
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