Blutgesicht
Grinsen war geblieben. Fr hatte den Kopf etwas schräg gelegt und sagte mit schon bedauernd klingender Stimme: »Schlechte Karten, Jane Collins.«
»Drehen Sie sich um und gehen Sie weiter, verdammt!«
»Nein, Sie sollten sich umdrehen!«
»Ach. Ich?« Nein, Jane konnte nicht lachen. Ein unheimliches Gefühl hatte sie überfallen, und sie fühlte sich plötzlich nicht mehr sicher. Der Eindruck, in einer Falle zu stecken, verstärkte sich immer mehr. Am Rücken wuchsen ihr leider keine Augen.
»Los, drehen Sie sich um!«
»Und dann?«
Nein, sie erhielt keine Antwort mehr. Dafür nahm sie einen Geruch wahr, den sie bereits aus dem kleinen Zimmer kannte, in dem das bewußte Bild hing.
Blutgeruch…
Etwas Heißes schoß hoch in ihren Kopf. Plötzlich schlug ihr Herz schneller. Die Welt drehte sich zwar nicht vor ihren Augen, aber die Unsicherheit ließ sie schon schwanken.
Der Blutgeruch war nicht nur da, er blieb auch.
»Nun?« flüsterte Lassalle.
Jane Collins tat ihm den Gefallen nicht. Statt dessen bewegte sie sich mit zwei schnellen Schritten nach links weg, so daß sich ihr Blickfeld änderte.
Sie konnte jetzt den sehen, der hinter ihr gestanden hatte.
Es war das Blutgesicht!
***
Dieser kurze Moment des Begreifens entfachte im Innern der Detektivin eine wahre Hölle. Sie fragte nicht nach dem Grund und nach dem Warum, ihr war nur klar, daß sie keiner Halluzination erlegen war. Das Blutgesicht hatte seinen Platz verlassen. Es war kein Bild mehr, sondern hatte sich zu einer real existierenden Gestalt entwickelt. Damit fertig zu werden, fiel ihr verdammt schwer, und sie ärgerte sich darüber, daß sie immer stärker zitterte.
Schießen!
Auf wen?
Da griff Lassalle ein. Er attackierte Jane Collins nicht, er huschte nur zur Seite, um in den Schatten zu gelangen. Automatisch fuhr auch Jane herum, die Waffe machte die Bewegung mit, und Jane wollte auch schießen, aber das Blutgesicht war schneller.
Es sprang sie an.
Jane drückte trotzdem ab.
Es war ein unglücklicher Moment, denn das Blutgesicht hatte sie gerammt und zur Seite gestoßen. So war die Beretta aus der Zielrichtung gebracht worden, aber das Blutgesicht gab nicht auf. Es hatte sich an Jane Collins festgeklammert und behinderte vor allen Dingen ihren rechten Arm, den Jane nicht mehr aus der beidhändigen Klammer lösen konnte. Sie versuchte es trotzdem. Sie wollte sich losreißen, die Waffe drehen und ein Ziel finden.
Plötzlich war Lassalle da.
Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Janes Lippe platzte auf. Sie schmeckte das Blut, und sie konnte sich nicht mehr halten. Ihr Kopf flog zurück. Ein Faustschlag erwischte ihren Magen. Die knochige Faust hatte sie böse erwischt. So hart und auch so tief, als wäre sie dabei in ihren Körper gedrungen.
An der rechten Hand hing immer noch das Blutgesicht. Ein greller Schmerz zuckte durch das Gelenk, und es gelang ihr nicht mehr, die Waffe zu halten. Sie fiel zu Boden, während Jane ebenfalls nach hinten kippte. Es kam ihr so lang vor, aber es gab nichts, an dem sie hätte Halt finden können.
Auch Lassalle ließ sie fallen. Er wollte es, daß Jane auf dem Boden lag und wehrlos war.
Sie kämpfte noch immer gegen die Nachwirkungen der beiden Schläge an. Deshalb war es ihr kaum möglich, zu reagieren. Normalerweise wäre sie wieder auf die Füße gekommen, hier aber lag sie ausgepowert am Boden und sah einen Fuß, der zuerst über ihrem Körper schwebte und sich dann ihrem Gesicht näherte.
Nathan Lassalle machte den Eindruck, als wollte er sie jeden Moment zertreten.
Vor dem Gesicht stoppte der Fuß. Auch direkt über dem Hals schwebte er wie ein Bleigewicht. Jane konnte an ihm vorbei und auch hoch in das Gesicht des Malers schauen. Sie sah dort den bösen Ausdruck und wußte genau, daß sie keine Gnade erwarten durfte.
Zudem hatte sie Schwierigkeiten mit der Atmung. Der letzte Schlag hatte sie einfach zu hart erwischt. Darauf nahm einer wie Lassalle keine Rücksicht. Er senkte seinen Fuß noch tiefer und preßte die Sohle gegen Janes Kehle.
Jane bekam den zusätzlichen Druck mit. Sie verzog das Gesicht. Das Luftholen bereitete ihr jetzt noch mehr Schwierigkeiten. Es horte sich schlimm an, wie sie den Atem regelrecht einschlürfte.
»Ruhig!« flüsterte ihr Lassalle zu. »Sei ganz ruhig. Tu nichts, gar nichts, klar?«
»Was willst du?« würgte sie hervor.
»Ich will dir nur zeigen, daß du verloren hast. Ich bin hier derjenige, der das Sagen hat. Dabei bleibt es auch.
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