Blutgesicht
was ich tun würde. Ich holte die kleine Leuchte hervor, während Suko seine Pistole zog und zur Seite trat, damit ich ihn nicht störte.
Ich leuchtete nicht auf die Bilder und schickte den Lichtfinger in Richtung Boden, wo er einen Kreis hinterließ. Der blieb auch nicht auf der gleichen Stelle, denn ich bewegte meine Hand und ließ ihn über den dunklen Untergrund wandern.
Zunächst sah ich nichts. Ein normal blanker Boden, aber weiter vorn malten sich zwei Schrammen ab. Sie liefen parallel zueinander wie die Gleisseiten bei einem Zug. Ich verfolgte sie mit dem Lichtstrahl, ging ihnen dann selbst nach, erreichte sie und bückte mich, um die Kuppe des Zeigefingers darüber hinweggleiten zu lassen. Schmutz und möglicherweise abgeschabtes Material irgendwelcher Schuhe. Wenn das zutraf, hatte man hier einen Körper weggeschleift. Noch etwas fiel mir auf, aber nur, weil das Licht noch brannte. Dunkle Flecken auf dem Boden und an mehreren Stellen verteilt. Die paßten nicht hierher, wo doch alles so klinisch sauber und blank war.
Die Flecken waren noch frisch. Wieder trat die Kuppe meines Zeigefingers in Aktion. Wie schon oft zeigte sie eine rötliche Verfärbung. Blut also.
Ich richtete mich wieder auf und drehte mich um. »Du hast recht gehabt, Suko. Hier riecht es nicht nur nach Blut. Hier habe ich Blut auf dem Boden gesehen.« Ich hielt ihm meinen Finger entgegen. »Nebenbei auch Schleifspuren.«
»Keine Kampfspuren?«
»Nein.«
»Wenn das so ist, könnte ich mir vorstellen, daß man Jane Collins hier überwältigt hat.«
»Aber es ist nicht ihr Blut.«
»Was macht dich da so sicher?«
»Die Farbe, Suko. Das hier ist anders. Es ist dunkler, schmutziger, kann man auch sagen. Schmutziges, altes Blut.«
»Von einem Blutgesicht.«
»Davon müssen wir ausgehen.«
»Dann war Janes Traum verdammt echt. Ich verstehe nur nicht, daß sie uns keinen Bescheid gegeben hat. Die Sache hier ist verdammt nicht einfach.«
»Sie konnte nicht. Jane stand unter immensem Druck. Das ist alles anders gewesen. Jemand muß sie hergelockt haben, und dieser Jemand – möglicherweise das Blutgesicht – hat sie so stark beeinflußt, daß ihr normales Denken ausgeschaltet wurde. So zumindest sehe ich es im Augenblick.«
»Hergelockt und weggeschafft, John!« Sukos Stimme klang ziemlich müde. »Auch wenn ihr Wagen noch draußen parkt, kann ich mir nicht vorstellen, daß sie unbedingt hier sein muß. Dieser Lassalle hat sie überwältigt und fortgeschafft.«
»Das ist eine Möglichkeit.«
»An die du nicht glaubst.«
»Genau. Ich habe einfach den tiefen Verdacht, daß sie sich irgendwo hier aufhält. Erinnere dich daran, was uns Julia Mason gesagt hat. Die versteckte Tür, die hier auf unserer Seite sein muß. Dahinter liegt ein Raum, und dort befindet sich das Porträt des Malers. Genau die Tür will ich finden.«
»Dann muß sie weiter vorn liegen. Ich habe auch daran gedacht und die freien Räume zwischen den Bildern abgetastet. Leider ohne Erfolg, John.«
»Laß uns weitermachen. Wir haben erst die Hälfte des Raums hier durchsucht.«
Vorsichtig waren wir gewesen. Von nun an wurden wir noch aufmerksamer. Ich hatte auch meine Lampe wieder weggesteckt, denn keiner von uns wollte eine Zielscheibe bieten. Diesem verfluchten Maler trauten wir alles zu, auch Morde.
Die Bilder interessierten uns nicht mehr. Jetzt waren es mehr die Freiräume dazwischen. Gemeinsam tasteten wir die Wand ab, erreichten aber nichts.
Der Blutgeruch verflüchtigte sich nicht. Er blieb nach wie vor wie ein unsichtbarer Schleier vor uns hängen. Er begleitete uns, aber er intensivierte sich nicht.
Suko, der vor mir ging, blieb plötzlich stehen. Er hatte entweder etwas gehört oder gesehen, das entnahm ich seiner angespannten Haltung. Ich kam nicht mehr dazu, eine Frage zu stellen und auch Suko sagte nichts, denn zugleich hörten wir die leisen Schrittgeräusche. Vor uns erschien eine Gestalt, die sich nur als Schatten abmalte und auch keinen Meter näherkam. Ich wollte die Beretta ziehen, aber die Stimme hielt mich davon ab.
»Lassen Sie das, Mister, ich bin immer schneller, und das Recht ist auf meiner Seite. Ich halte die Pistole bereits in der Hand, und es ist wohl kein so großes Verbrechen, Einbrecher, die man auf frischer Tat erwischt, zu erschießen…«
***
Julia Mason steckte in einer Zwickmühle. Einerseits sagte sie sich, daß es sinnlos war, in der Kälte zu warten, denn in die Ausstellung kam sie sowieso nicht. Andererseits aber
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