Blutgesicht
siegte ihre angeborene Neugierde, die sich durch ihren Beruf noch verstärkt hatte.
Die beiden Männer waren keine normalen Besucher. Für sie waren sie Polizisten, und wenn Polizisten irgendwo auftauchten, dann bestimmt nicht grundlos. Es konnte durchaus sein, daß sie eine verdammt heiße Spur entdeckt hatte. Davon träumen Journalisten und Reporter oft genug, und auch Julia machte da keine Ausnahme.
Sie schloß mit sich selbst einen Kompromiß. Sie wollte st> lange warten, bis die beiden wieder erschienen. Kamen sie nicht, dann wollte sie nachschauen.
Sie setzte sich wieder in ihren Wagen, in dem es nur wenig wärmer war als draußen, und wartete ab.
Ihr fiel ein, daß sie noch Tee in der Kanne hatte. Das Gefäß lag auf dem Beifahrersitz. Sie schüttelte es, hörte das Gluckern und drehte die Thermoskanne auf.
Der Tee war nicht mehr heiß, er wärmte sie trotzdem durch, als sie ihn trank. Bis auf den letzten Tropfen schlürfte sie die Kanne leer und legte sie wieder weg.
Warten.
Der Blick auf die Uhr.
Julia konnte nur schätzen, vor wie vielen Minuten die beiden sie verlassen hatten. Für einen Rundgang hätte die Zeit eigentlich reichen müssen. So wartete sie darauf, daß die Männer wieder auftauchten. Das aber traf nicht zu.
»Sieh mal an!« flüsterte sie vor sich hin. »Keiner ist zurückgekehrt. Also haben sie was entdeckt.« Sie klatschte in die Hände und rieb sie dann aneinander, um sie zu wärmen, denn Handschuhe störten sie. »Ich wußte doch gleich, daß da was nicht stimmt.«
Lange hielt es Julia Mason nicht mehr in ihrem Auto aus. Sie stieg aus, überprüfte noch den Sitz der Kamera, schloß den Wagen ab und ging genau den Weg, den auch die beiden Männer genommen hatten. Sie war noch immer allein. In der Zwischenzeit hatte sich kein anderer Besucher eingefunden. Anscheinend hatte es sich in interessierten Kreisen herumgesprochen, daß die Ausstellung an diesem Tag geschlossen war. Bei ihrem ersten Besuch war Julia Mason durch den Vordereingang in das Haus gegangen. Diesmal nicht. Sie nahm den gleichen Weg wie auch die beiden Männer und umrundete den Bau mit dem Flachdach. Dabei behielt sie auch die Umgebung im Auge, denn sie wollte auf keinen Fall von irgendwelchen Zeugen entdeckt werden.
Ein wenig komisch war ihr schon zumute. So etwas hatte sie noch nie getan, und sie kam sich auch beinahe wie eine Einbrecherin vor.
An der Rückseite lief sie entlang. Der Boden war hart gefroren. Das dünne Gras hatte eine dünne Schicht aus Eis bekommen. Es schabte hart über das Leder ihrer dicken Schuhe mit der hellen Specksohle hinweg. Damit konnte sie sich auch leise bewegen.
Julia hatte damit gerechnet, die beiden Männer an der Rückseite stehen zu sehen. Ein Irrtum, denn kein Mensch fiel ihr auf. Sie war allein, und sie hielt sich dabei immer dicht an der Wand. Jedes Fenster war hier geschlossen, so blieb die Kälte draußen. Bis auf ein Fenster. Das war offen. Nur nicht normal. Jemand hatte von außen her die Scheibe eingeschlagen.
Sie war stehengeblieben und spürte, wie ihr Herz schneller klopfte. In diesem Moment wußte sie, daß sie einer großen Sache auf der Spur war. Das mußte einfach so sein, sonst wäre das Fenster nicht eingeschlagen worden.
Was tun?
Der Verstand sagte ihr, sich zurückzuziehen, weil das eine zu heiße Sache werden könnte. Ihm gegenüber stand die Neugierde und auch die Sucht nach einer Geschichte. Wenn sie mit einem Knüller in die Redaktion zurückkehrte, würde ihr Image um einiges steigen. Das konnte sogar die Basis für eine Festanstellung sein.
In diesem Job wurde mit harten Bandagen gekämpft. Da war die Konkurrenz gnadenlos. Deshalb überwand wie ihre Bedenken und entschied sich für die zweite Möglichkeit.
Durch das Fenster zu klettern und dann achtzugeben, was sich daraus ergab. Es lag ziemlich hoch. Julia mußte sich schon anstrengen, um durch die Öffnung zu gelangen. Glücklicherweise war der Rahmen frei von irgendwelchen Scherben. Die sah sie unter und vor sich auf dem Boden der Toilette schimmern.
Sie sprang nach unten. Rutschte nicht aus und stellte sich wieder normal hin.
Es brannte kein Licht. Das war gut so. Und Julia ließ es auch dabei, denn sehen konnte sie genug.
Wichtig war die Kamera. Sie wollte sie nicht mehr in der schützenden Umhüllung lassen, sondern schußbereit haben. Deshalb packte sie den Apparat aus. Sie hängte ihn vor die Brust. Das Etui steckte sie in die Seitentasche der Jacke.
Sie war angespannt und ließ ihre
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