Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
schreiben Sie, oder ich steche sie ab und sorge dafür, dass es so aussieht, als hätten Sie das getan.«
»Dass mein’ Sie ernss.«
»Seh ich so aus, als machte ich Witze?« Seine Augen tränten. Seine Unterlippe zitterte. »Es ging mir prima, bis alle anfingen, Lügengeschichten zu erzählen. Mein ganzes Leben hab ich mich um andere gekümmert. Jetzt ist die Zeit gekommen, mich um Nummer eins zu kümmern.«
Ich schaffte es, den Kugelschreiber in die Hand zu nehmen, und ließ ihn fast wieder fallen. Schweres kleines Scheißding - machte man die heutzutage aus Blei? War Blei nicht schädlich für Kinder? Nein, das waren Bleistifte. Nein, das war Graphit …
Ich bewegte meinen rechten Arm und sein Gegenstück. Sie waren nicht mehr taub. Die Schmerzen waren nicht abgeklungen, aber ich fühlte mich allmählich wieder wie ein Mensch.
»Damit dass hier galuba - gaulba - glaub-haft ist«, sagte ich, »sollte es dannnich von eim Notar besteinigt wern?«
Hauser leckte sich die Lippen. Seine Brille war erneut heruntergerutscht, aber er versuchte nicht, sie wieder hochzuschieben. »Stellen Sie sich nicht so an. So hart habe ich Sie nicht geschlagen.«
»Danke«, sagte ich. »Aber die Frage ist immer noch … revelant …«
»Sie schreiben, und ich kümmere mich darum, was relevant ist.«
Der Kugelschreiber versuchte nicht mehr, meiner Hand zu entschlüpfen, und war unbeholfen zwischen Ringfinger und kleinem Finger zur Ruhe gekommen. Ich schaffte es, ihn in Schreibposition zu rollen.
Allison beobachtete mich.
Ich machte ihr Angst.
Ein Kuli aus Blei; was würde die Umweltbehörde davon halten?
Ich sagte: »Also schreibe ich. Jetzt. Wie?«
»Was meinen Sie damit, wie?«, fragte Hauser.
»Was für Wörter soll ich nehmen?«
»Fangen Sie damit an, dass Sie zugeben, ein pathologischer Lügner zu sein, dem man die Zulassung entziehen müsste.«
»Soll ich in der ersten Person schreiben?«
»Hab ich das nicht gerade gesagt?« Hausers Hängebacken zitterten vor Wut. Sein Arm ebenfalls, und noch einmal entfernte sich das Messer von Allisons Haut.
Er war nicht gut darin, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen.
Seine rechte Hand grub sich in Allisons Haare und verdrehte sie. Sie schnappte nach Luft, schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe.
»Bitte hören Sie auf, ihr wehzutun«, sagte ich.
»Ich tue ihr nicht weh -«
»Sie ziehen sie an den Haaren«, sagte ich.
Hauser sah nach unten auf seine Hand. Hörte auf, sie zu drehen. »Es geht hier nicht um sie.«
»Das meine ich ja.«
»Sie haben nichts zu meinen«, entgegnete er. »Sie stehen in meiner Schuld. Falls ich Sie hätte verletzen wollen, hätte ich einen Knüppel oder so was nehmen können. Ich hab Sie nur mit der bloßen Hand geschlagen. Genau wie Sie bei mir. Ich hab mir die Knöchel dabei aufgeschrammt. Ich bin kein gewalttätiger Mensch, ich will nur Gerechtigkeit.«
»Sie hammich in die Rippen getreten«, sagte ich wie ein bockiges Kind.
»Als Sie mich in dem Restaurant geschlagen haben, war das eine Eskalation der Gewalt. Ich wollte nur vernünftig mit Ihnen reden. Selber schuld.«
»In dem Restaurant haben Sie mir Angst eingejagt«, sagte ich.
Daraufhin musste er lächeln. »Haben Sie jetzt Angst?«
»Ja.«
»Dann machen Sie die Angst nutzbar - sublimieren Sie. Fangen Sie an zu schreiben, und wir können alle nach Hause gehen.«
Ich wusste, dass er log, aber ich glaubte ihm. Versuchte, ebenfalls zu lächeln.
Er starrte an mir vorbei.
Allison schaute zu ihrer Handtasche. Blinzelte mehrere Male.
Ich sagte: »Wie wär’s, wenn ich so anfange: Mein Name ist Alex Demlaware, ich bin ein krinischer Psychologe, zugelassen vom Staat Kalifornien, meine Zulassungsnummer ist 45 …«
Ich sprach weiter mit monotoner Stimme. Hauser begleitete mich mit ruckartigen Kopfbewegungen. Der Vortrag erwärmte ihn, weil er alles enthielt, was er hören wollte.
»Schön. Schreiben Sie.«
Ich beugte mich über den Schreibtisch, wobei ich meine rechte Hand mit meinem linken Arm abschirmte. Ich senkte die Spitze des Kulis bis unmittelbar über das Papier und tat so, als schriebe ich.
»Hoppla«, sagte ich. »Funktioniert nicht.«
»Blödsinn, versuchen Sie nicht -«
Ich hielt den Kuli hoch. »Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
Hauser dachte nach. Das Messer glitt zur Seite. »Holen Sie einen anderen aus der Schublade. Regen Sie mich nicht auf.«
Ich rappelte mich auf die Füße, stützte mich an dem Sessel ab. »Soll ich mich über den Schreibtisch
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