Blutgold
hier.«
»Danke«, sagte ich aufrichtig.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich Sie
vermisse«, gab er zurück. Dann hörte ich ein Klicken: Er verband mich weiter.
Ich merkte, dass es Helen widerstrebte, zu tun, worum ich sie bat. Sie
wollte es mir nicht abschlagen, aber sie bot mir ihre Hilfe auch nicht von sich
aus an.
»Ich muss nur den Bericht des Rechtsmediziners über Leon sehen«, sagte
ich. »Ich möchte ein paar Details überprüfen. Sie werden nur zehn Minuten fort
sein, länger nicht.«
Schließlich willigte sie ein, sie werde mich auf der Gallows Lane
treffen, wo es unwahrscheinlich war, dass jemand uns sah.
Zehn
Minuten später kam Gorman in einem Streifenwagen. Ich lehnte an der Motorhaube
meines Wagens, rauchte und genoss die Aussicht, die man vom oberen Ende der
Gallows Lane aus bis nach Tyrone hatte.
Sie hielt
eine dünne Aktenmappe in der Hand.
»Das ist alles«, sagte sie. »Ich habe Ihnen eine Kopie gemacht. Hat
nicht lange gedauert.«
Die gesamte Akte bestand aus etwa zwanzig Seiten, wovon beinahe ein
Viertel auf den Bericht des Rechtsmediziners entfiel. Es gab ein paar
Zeugenaussagen sowie einige oberflächliche handschriftliche Notizen und
Zeichnungen, die veranschaulichten, wo man die Leiche gefunden hatte.
»Das ist alles?«, fragte ich ungläubig.
Gorman nickte grimmig. »Die Sache hat keine Priorität. Der Super macht
sich Sorgen, dass Orcas aussteigt. Er will, dass Gras über den Bradley-Mord
wächst. Die offizielle Version lautet, Janet Moores Mann hätte Leon ermordet.«
»Und die inoffizielle?«, fragte ich.
»Genauso. Er hat seine Frau ermordet, wissen Sie?«
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich habe sie gefunden.«
Gorman wirkte bestürzt. Vermutlich hatte Patterson von meiner
Beteiligung an dieser Entdeckung noch nichts gehört. Ich überflog den
Autopsiebericht und rauchte dabei zu Ende. Leon war aus relativ geringer
Entfernung von hinten mit einer Schrotflinte erschossen worden. Er war zwischen
acht Uhr und Mitternacht am Freitagabend gestorben, was keine besonders genaue
Zeitangabe war.
Rasch überflog ich den restlichen Bericht, weil ich wissen wollte, ob
man Wasser in Leons Lunge gefunden hatte. Falls der Rechtsmediziner das Wasser
untersucht und Verunreinigungen darin gefunden hatte, würde der Schaden, den
Orcas dem Fluss zufügte, hoffentlich bekannt werden.
»Hat jemand das Wasser in seiner Lunge untersucht?«
Gorman blickte mich fragend an. »Warum?«
»Orcas leitet Schadstoffe in den Fluss ein. Leon Bradley und Janet
Moore hatten Nachforschungen darüber angestellt.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Gorman.
»Gute altmodische Polizeiarbeit.« Ich hielt ihr die Mappe hin.
»Behalten Sie die«, sagte sie, ließ sich aber nicht ablenken. »Was für
Polizeiarbeit? Sie sind doch suspendiert.«
»Das höre ich immer wieder«, entgegnete ich.
Abends
las ich die Mordakte gründlicher. Es schien immer wahrscheinlicher, dass Karl
Moore Leon ermordet hatte, doch ich mochte nicht einfach untätig herumsitzen,
bis er das Bewusstsein wiedererlangte und gestand. Ich fragte mich, ob die
Mordwaffe schon irgendwo aufgetaucht war. Zudem wollte ich wissen, was Leon
Janet von Eligius aus zugeschickt hatte. Falls sie an einem Artikel über die
Verunreinigung des Flusses gearbeitet hatten, wo war dann die Verbindung zu
diesem Rüstungsunternehmen, abgesehen von der Tatsache, dass Hagan beide
Unternehmen mitfinanziert – und von ihnen profitiert – hatte? Ich würde eine andere
Quelle befragen müssen: eines der verbleibenden Mitglieder des
Eligius-Quartetts.
Ich
durchwühlte die Altpapiertonne, bis ich die Wochenendzeitungen fand. Im Artikel
über den Einbruch waren die Namen der vier Männer sowie ihre Wohnorte
aufgeführt. Jetzt musste ich sie nur noch finden.
17
Mittwoch, 18. Oktober
Wie
vor zwei Tagen war meine erste Aufgabe an diesem Morgen die Teilnahme an einer
Beerdigung – diesmal an Janet Moores. Es war die dritte Beerdigung in ebenso
vielen Wochen, und der strahlend schöne Tag konnte das bleierne Gewicht, dass
mir dauerhaft im Magen zu liegen schien, kaum mindern.
Diese
Beerdigung war noch besser besucht als Leons. Janet hatte viele Menschen
gekannt, und ich entdeckte zahlreiche Mitarbeiter von Presse und Fernsehen
unter den Trauergästen. Außerdem fielen mir diverse PSNI -Beamte
ins Auge, darunter auch Jim Hendry, der mir zuzwinkerte, als unsere Blicke sich
trafen.
Der Einzige, der unübersehbar fehlte, war Karl Moore, und ich bemerkte,
dass die erste
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