Blutgrab
drei Meter groß und fensterlos. Es gab einen wuchtigen Schreibtisch, auf dem sich die Kataloge internationaler Uhren- und Schmuckhersteller stapelten. Eine Plastikhaube schützte den vergilbten PC-Monitor vor Staub.
Die beiden Frauen kauerten auf knarrenden Besucherstühlen aus verchromtem Stahlrohr und blickten Maja und Ulbricht unverwandt an. Neben ihnen stand Habermann, einer der Polizeiseelsorger. Als er Ulbrichts fragenden Blick sah, nickte er unmerklich und wandte sich an die beiden Frauen.
»Das sind die Kollegen, die in dem Fall ermitteln -ich lasse Sie einen Moment allein, wenn das in Ordnung ist?«
»Geht schon klar«, hauchte die Jüngere der beiden. Ihr Gesicht war verheult, der eigentlich flotte Pagenschnitt wirkte verwahrlost. Sie knetete ein Stofftaschentuch und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase.
Nachdem Habermann den Raum verlassen hatte, zog sich Ulbricht den Bürostuhl heran.
»Wie geht es Ihnen?«
»Das fragen Sie nicht ernsthaft, oder?«, fuhr die ältere der beiden Frauen auf. »Julia… Julia Spielhoff hat vor einer Stunde ihren Verlobten verloren, weil mir zwei Verrückte den Laden ausgeraubt haben.«
»Also gehören Sie zur Belegschaft des Juweliers?«, mischte sich Maja ein. Sie lächelte freundlich und stellte den Rollkoffer neben sich ab. Wäre es nicht ein tragischer Moment gewesen, hätte Ulbricht wahrscheinlich gegrinst.
»Das ist richtig. Mein Name ist Carolin Mertens. Seit acht Jahren arbeite ich hier, und das war schon der zweite Überfall. Es wird immer schlimmer, und diese Typen haben keinerlei Hemmungen mehr. Sie schießen einen Mann einfach so über den Haufen… Wo sind wir hier eigentlich? In Chicago? Es ist so…«
Carolin Mertens brach ab, als Julia Spielhoff laut aufschluchzte. Maja war sofort bei ihr und redete beruhigend auf sie ein. Ulbricht war froh, dass sie und nicht Heinrichs, dieser alte Hektiker, ihn im Verhör begleitete.
»Bitte schildern Sie uns, was sich ereignet hat«, bat Maja, nachdem sich die jüngere Frau wieder ein wenig beruhigt hatte.
Stockend erzählten sie nacheinander, wie sie den Überfall auf das Schmuckgeschäft erlebt hatten. Ulbricht blickte sich währenddessen suchend um. »Gibt es eigentlich eine Überwachungsanlage?«
»Natürlich«, nickte Carolin Mertens. »Die wird aber vom Chef verwaltet. Wahrscheinlich wollen Sie die Aufzeichnungen auswerten.«
»Exakt.« Ulbricht nickte. »Können Sie uns die Täter beschreiben?«
Carolin Mertens tauschte einen Blick mit Julia Spielhoff, die den Kopf schüttelte. »Sie waren vermummt, trugen schwarze Kleidung und Masken - also was erwarten Sie?« Vorwurf lag in der Stimme der Schmuckverkäuferin.
»Die Masken«, hakte Ulbricht nach. »Trugen sie die bereits, als sie den Laden betreten haben, oder haben sie sich die erst übergezogen, als sie drinnen waren?«
»Nein, sie waren schon maskiert, als sie ins Geschäft stürmten«, erklärte Julia Spielhoff. »Ich habe sofort gewusst, was es zu bedeuten hat, als diese Typen den Laden betreten haben.« Tränen sammelten sich wieder in ihren Augen, und die junge Frau war um Fassung bemüht. Sie rang mit den Händen.
Dezent lackierte, sehr gepflegte Nägel, stellte Ulbricht fest.
»Dass sie mit den Masken nicht den Passanten in der Fußgängerzone vor dem Laden aufgefallen sind, wundert mich«, murmelte Carolin Mertens. »Die hätten doch bestimmt sofort die Polizei gerufen. Heute hat doch jeder ein Handy.« Sie schüttelte im Zeitlupentempo den Kopf. »Das war so schrecklich.«
»Wahrscheinlich«, nahm Maja nach einem kurzen Blick zu Ulbricht den Faden wieder auf, »wahrscheinlich haben sie die Masken erst im Eingangsbereich aufgesetzt, als sie mit dem Rücken zur Straße standen. Und wenn man die Waffen eng am Körper hält, muss das nicht zwangsläufig auffallen. Zumal sie den Kastenwagen so geparkt haben, dass er ihnen als zusätzlicher Sichtschutz diente.«
»Wissen Sie, ob es auch eine Kamera im Eingangsbereich des Ladenlokals gibt?«, wollte Ulbricht wissen.
Carolin Mertens schüttelte den Kopf. »Da ist nichts. Nur im Laden selbst hat der Chef nach dem Überfall damals mehrere winzig kleine Kameras montieren lassen.«
»Immerhin zeigen sie den Überfall aus verschiedenen Perspektiven«, murmelte Maja und warf Julia Spielmann einen aufmunternden Blick zu. Doch Ulbricht sah ihr an, dass sie sich selbst hilflos fühlte. Ihren ersten Besuch in Wuppertal hatte sie sich wohl anders vorgestellt.
»Das war doch alles bis ins letzte
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