Blutgrab
Chef.«
»Das denken die.«
»Norbert, bitte.« Maja zupfte an seinem Ärmel. »Das sind eben die Gesetze.«
Er blickte sie mit regungsloser Miene an. »Und ich lasse mir den Fall so mir nichts, dir nichts, abnehmen?« Ulbricht überlegte mit in den Taschen versenkten Händen. Schließlich nickte er und gab Maja ein Zeichen. »Na gut.«
»Wie - na gut?« Maja glaubte sich verhört zu haben.
»Wir können Feierabend machen. Ich habe sowieso noch ein paar Stunden Schlaf nachzuholen.«
Er nickte Heinrichs zu. »Sie halten hier die Stellung, und wenn sich was Wichtiges ergibt, rufen Sie mich an.«
»Aber Sie wollten nicht gestört werden«, erinnerte er seinen Vorgesetzten zaghaft.
»Heinrichs, bitte.« Ulbrichts Stimme klang wie die eines von seinem Schüler enttäuschten Lehrers. »Seit wann halten Sie sich an meine Anweisungen?« Damit ließ er Heinrichs stehen. Maja zuckte die Schultern, schnappte sich den Koffer und zog ihn ratternd hinter Ulbricht her. Nachdem der grüne Hartschalenkoffer im Heck des alten Vectra verstaut war und sie im Wagen saßen, blickte Maja ihn entsetzt an.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Die Scheiben beschlugen innerhalb weniger Sekunden. Ulbricht startete den Motor und schaltete das Heizgebläse auf die höchste Stufe. »Wovon redest du?«
»Von deinem wohlverdienten Feierabend, Norbert. Wir können doch jetzt nicht so einfach aufgeben, nur weil das LKA ermittelt.«
Er grinste. »Lass die mal machen, wir kümmern uns um die Basisarbeit und kommen schneller zum Ziel als die, darauf verwette ich meinen Arsch. Ich dachte daran, diesem Brabender einen Besuch abzustatten. Wenn er nicht im Geschäft ist, während sein Laden überfallen wird, und wenn er danach nicht telefonisch zu erreichen ist, dann finde ich das sehr seltsam.«
»Jetzt gefällst du mir wieder viel besser.« Maja beugte sich zu ihm herüber und strich ihm durch das Haar.
Er rieb sich den Nasenrücken und grinste wie ein kleiner Junge. »Kommst du mit?«
Jetzt musste sie lachen. »Dachtest du ernsthaft, ich warte hier?«
Wuppertal-Sonnborn, 10.40 Uhr
Die Villa lag im Zooviertel, Wuppertals teuerster Wohngegend, unweit des Märchenbrunnens, der auf einer Insel zwischen vier Straßen thronte.
»Das ist ja besser als unser Klütviertel«, staunte Maja, die Wuppertal immer wieder mit Hameln verglich und enttäuscht feststellte, dass der Vergleich hinkte. Das prächtige Villenviertel, durch das Ulbricht den Opel gelenkt hatte, imponierte ihr. Doch sie liebte ihre Heimatstadt und vermisste die historischen Bauten der Hamelner Altstadt schon jetzt.
Nachdem Ulbricht den Vectra in der Donarstraße in eine enge Parklücke gezirkelt hatte, grinste er zufrieden. Sie stiegen aus und legten die letzten Meter zu Brabenders Haus zu Fuß zurück. Ein Mann im blauen Overall war damit beschäftigt, den Gehweg zu fegen; auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig ging eine alte Frau mit ihrem ergrauten Rauhaardackel Gassi. Das Tier trug einen dunkelroten Mantel, der bei Ulbricht nur ein Kopfschütteln hervorrief.
Der Juwelier residierte in einer mehrgeschossigen Jugendstilvilla mit strahlend weiß getünchter Fassade und einem Walmdach mit mehreren Gauben, hohen Fenstern und einem verspielt wirkenden Ecktürmchen.
Ein Tor trennte den Bürgersteig vom Vorgarten, dahinter befand sich eine kleine Grünfläche mit Skulpturen aus Stein auf dem Rasen. Im Sommer sicher ein Kleinod, wirkte der Garten jetzt trostlos. Breite Stufen führten zu einem überdachten Portal, das von steinernen Löwen flankiert wurde.
Maja blieb staunend stehen. »Es scheint ihm in finanzieller Hinsicht nicht schlecht zu gehen.«
»Das ist noch nicht raus«, meinte Ulbricht und legte den Daumen auf den goldenen Klingelknopf. Ihm fiel auf, dass er kein Namensschild entdecken konnte. Offensichtlich war dem Juwelier daran gelegen, dass niemand erfuhr, wer hier residierte.
Im Haus schlug ein melodischer Gong an.
Ein Hund bellte. Dem Bellen nach handelte es sich um ein großes Tier. Ulbricht warf Maja einen säuerlichen Blick zu. »Du gehst vor«, beschloss er.
»Hast du etwa Angst vor Hunden?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich mag sie nur nicht.«
Maja, die gerade etwas erwidern wollte, brach ab, als sich die schwere Haustüre öffnete.
Eine blasse Frau Ende dreißig stand im Rahmen. Obwohl sie hübsch war, wirkte sie unscheinbar und verschüchtert. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, die selbst das Make-up nicht verdecken konnte. Zu einer
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