Blutgrab
weißen Bluse trug sie einen grauen Rock, der eine Handbreit über dem Knie endete. Eigentlich eine attraktive Frau, stellte Maja fest. Das Attribut ,eigenartig', das ihr während ihrer Betrachtung einfiel, vermochte sie nicht zu erklären. Die Frau betrachtete ihre Besucher mit fragender Miene.
»Guten Tag, Kriminalpolizei.« Ulbricht zeigte ihr den Dienstausweis und stellte sich vor. »Hauptkommissar Ulbricht«, er deutete auf Maja, »meine Kollegin, Hauptkommissarin Maja Klausen.« Er band der Frau nicht auf die Nase, dass Maja hier keine polizeilichen Befugnisse hatte.
»Worum geht es?« Die Frau klang abweisend, aber auch verunsichert.
»Gisela Brabender?«, antwortete Ulbricht mit einer Gegenfrage. Von Carolin Mertens hatte er den Vornamen ihrer Chefin erfahren. »Sie sind doch die Frau von Georg Brabender?«
»Ja, aber warum …« Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte.
»Es geht um Ihren Mann«, antwortete Maja an Ulbrichts Stelle und schenkte der Frau ein freundliches Lächeln. »Er ist verschwunden.«
»Wie bitte?« Frau Brabender schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Er ist heute Morgen ganz normal ins Geschäft gefahren, so, wie er es jeden Morgen tut.«
Maja tauschte einen Blick mit Ulbricht. Von dem Überfall auf das Geschäft schien sie noch nichts zu wissen. »Dort ist er auch angekommen, aber von seiner morgendlichen Runde ist er nicht zurück ins Geschäft gekommen.«
Ulbricht räusperte sich. »Wir haben bereits mehrfach versucht ihn zu erreichen, leider vergeblich.«
Gisela Brabender strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und gab den Eingang frei. »Bitte«, sagte sie und blickte an den Polizisten vorbei, so, als befürchte sie, beobachtet zu werden. Ihre Bewegungen wirkten fahrig und unsicher. »Bitte kommen Sie herein. Ich möchte nicht, dass die ganze Nachbarschaft erfährt…« Sie brach ab und deutete in das Innere der Villa.
»Was ist mit dem Hund?«, fragte Ulbricht und blickte im Gegenzug an Gisela Brabender vorbei. Von einem Hund war nichts zu sehen.
»Er soll mich schützen. Aber Sie können beruhigt sein: Ich habe ihn in den Garten gebracht.« Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
»Gut.« Ulbricht steckte den Ausweis fort und betrat, gefolgt von Maja, einen fast quadratischen Flur. Hier herrschte kühle Eleganz. Große Gemälde in schlichten Rahmen als Farbtupfer auf weißen Wänden. Die Motive sagten Ulbrichts offenbar nichts, der Blick, den er Maja zuwarf, sprach Bände. Alle Türen, die in angrenzende Zimmer führten, waren verschlossen. Neben der Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, gab es eine Sitzecke mit einem flachen Tisch und Designer-Ledersesseln. Eine Stehlampe mit cremefarbenem Schirm verbreitete einen diffusen Lichtschein.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz.« Gisela Brabender deutete auf die Sitzecke.
Während Ulbricht sich noch wunderte, nicht in das Wohnzimmer geführt zu werden, sank Maja bereits auf einen der Stühle. Das Leder knarzte leise. Ulbricht zuckte unmerklich die Schultern und tat es ihr nach.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Maja registrierte, dass Gisela Brabender durchaus gute Manieren hatte. So, wie es die Kreise, in denen sie verkehrte, verlangten.
»Nein, danke«, erwiderte Ulbricht. »Wir werden Ihre Aufmerksamkeit nicht länger als nötig beanspruchen.«
»Vielen Dank.« Gisela Brabender setzte sich zu ihnen. Ihr Rock rutschte dabei über die Knie.
Maja eröffnete das Gespräch. »Es hat einen Zwischenfall im Laden gegeben.«
Gisela Brabenders Augen weiteten sich angsterfüllt. »Oh nein, bitte nicht schon wieder.« Nervös nestelte sie am Kragen ihrer blütenweißen Bluse herum.
Ulbricht stutzte. »Schon wieder?«
»Ist das Geschäft überfallen worden? Das ist es doch, was Sie mir mitteilen wollen, oder?«
»Ja, es hat einen Raubüberfall gegeben«, nickte Ulbricht. »Warum sagen Sie schon wieder?«
»Weil wir vor acht Jahren schon einmal überfallen worden sind.« Sie rang mit den feingliedrigen Fingern. »Seit dieser Zeit…«, setzte sie an, biss sich auf die Unterlippe und brach ab.
»Was ist seit dieser Zeit, Frau Brabender?«, fragte Maja.
Der Kopf der Geschäftsfrau ruckte hoch. »Seit dieser Zeit kann ich nicht mehr im Laden sein. Ich habe ein schweres Trauma davongetragen und befinde mich auch heute noch in psychologischer Behandlung. Noch immer schlafe ich nachts nicht durch, wache schweißgebadet auf und leide unter Verfolgungsängsten.«
Das
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