Blutheide
senden. Es klingelte mehrmals, bevor jemand am anderen Ende den Hörer abnahm.
»Von Hagemann«, meldete sich eine zurückhaltende Stimme.
»Katharina? Ich bin’s, Bene.«
Bene hatte seine wenigen Worte langsam ausgesprochen, weil er selbst nicht so genau wusste, was er eigentlich mit seinem Anruf bezwecken wollte. Jetzt war er verstummt und wartete gespannt darauf, wie Katharina reagieren würde.
»Bene? Benedict Rehder? Damit hab ich ja nun gar nicht gerechnet!«
Zumindest wirkte Katharina nur überrascht, aber keineswegs abweisend, was Bene mit Genugtuung registrierte.
»Ich hoffe, du hast noch nicht geschlafen und ich stör dich nicht. Es ist ja schon ziemlich spät.«
»Nein, du störst nicht, und äh, ich hab noch nicht geschlafen. Ich arbeite noch. Was … was kann ich für dich tun?«, antwortete Katharina nun doch etwas reserviert. Sie konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, warum Bene sie anrief. Und woher hatte er ihre Telefonnummer? Sie erinnerte sich nicht daran, sie ihm gegeben zu haben. Bevor sie weiter darüber nachdachte, hatte ihr Mund auch schon die Worte hervorgebracht: »Woher hast du eigentlich meine Nummer? Hat dein Bruder … hat Ben sie dir gegeben?«
Bene konnte sich einen Lacher nicht verkneifen: »Ben? Nein, so dicke, dass er mir die Nummer seiner Kollegin gibt, sind wir noch nicht wieder. Ich hab sie von der Auskunft. War also ganz einfach und ganz anonym, falls es das ist, was du wissen willst.«
»Nein, also, ja, ach so«, stotterte Katharina in den Hörer. Dann fing sie sich wieder: »Also: Was kann ich für dich tun?«
Nun war es an Bene, herumzustottern: »Ich… ich dachte, na ja, also wenn du Lust hast, dachte ich, dass wir uns noch kurz auf einen Absacker oder so sehen könnten?«
»Oh. Ach so. Ähem, das ist … das wär …« Katharina wusste nicht, was sie antworten sollte. Hatte sie Lust, Bene zu sehen? Hatte sie nicht gerade gestern noch gedacht, dass er genau der Typ Mann war, der Aufruhr in ihr Leben bringen würde, auf den sie gern verzichten könnte? Auf der anderen Seite hatte sie seit ihrer gemeinsamen Nacht immer wieder an Bene denken müssen. Katharina ließ ihren Blick über ihren Wohnzimmerboden schweifen, auf dem lauter Papierstapel, Bücher und geöffnete Ordner herumlagen: Das Profil, das sie vom Serientäter erstellen wollte, war fast fertig, und Bene war auf jeden Fall eine willkommene Abwechslung von den üblen Dingen, mit denen sie sich gerade beschäftigte. Und was sollte es schon? Treffen konnte sie Bene ja, aber auf den Absacker würde sie diesmal verzichten. Zumindest wenn er aus Alkohol bestand.
Katharina seufzte einmal tief auf, dann sagte sie: »Okay. Treffen wir uns. Allerdings hab ich noch eine Weile zu arbeiten. So in zwei Stunden? Aber nur kurz, ich muss morgen früh raus.«
Katharina hatte so lang geschwiegen, dass Bene nicht mit einer Zusage gerechnet hatte. Vielmehr hatte er sich schon auf eine Abfuhr eingestellt, deswegen war seine Freude nun umso größer: »Toll! Und eine Stunde: Das passt perfekt! Ich muss bis ein Uhr arbeiten. Heute ist hier nicht viel los. Und wenn du nicht so lang willst – was hältst du davon, wenn ich nachher einfach bei dir vorbeikomme? Dann musst du nicht mehr raus. Den Absacker bring ich natürlich mit. Der geht aufs Haus.«
»Ja gut«, sagte Katharina gedehnt. Erst als Bene von ein Uhr gesprochen hatte, war ihr bewusst geworden, wie spät es bereits war. War sie denn verrückt geworden? Sie brauchte so dringend ihren Schlaf, und dass Bene nach einer halben Stunde wieder gehen würde, glaubte sie selbst am wenigsten. Allerdings würde sie später sicherlich sowieso nicht gleich schlafen können. Dafür war das Thema, an dem sie arbeitete, zu aufwühlend. Außerdem mochte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Das wäre ihr vor Bene irgendwie peinlich gewesen. Wieso, wusste sie selbst nicht so genau. Vielleicht, weil es so wenig tough gewirkt hätte. Katharina zog ihre Schultern hoch, stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus und nannte Bene ihre Adresse. Bene unterbrach sie nicht, um ihr zu sagen, dass er die Anschrift bereits von der Auskunft bekommen hatte. Vielmehr tat er so, als würde er Katharinas Adresse notieren.
23.57 Uhr
Als Ben die Tür hinter Alex schloss, fühlte er sich extrem erleichtert. Er hatte in Ruhe erzählt, und sein Freund hatte zugehört. Einfach nur zugehört und verstanden. Sie hatten beide schon immer eine sehr ähnliche Denkweise gehabt, was viele Erklärungen
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