Blutheide
sie diesen Mann wohl irgendwann würde einschätzen können.
16.39 Uhr
Ben war bereits wenige Minuten nach dem Anruf von Katharina in Julianes Wohnung angekommen. Dort hatte er sich die Situation kurz schildern lassen und es sogar geschafft, Lauras Mutter etwas zu beruhigen und sie dazu bewegt, in ihre eigene Wohnung zurückzukehren. Offiziell für den Fall, dass Laura dort auftauchen oder anrufen würde. Inoffiziell, weil er wusste, dass ein potenzieller Entführer sich vermutlich dort melden würde, um Kontakt aufzunehmen. Später würde er noch ein Team in die Ronneburg’sche Wohnung schicken, um eine Fangschaltung einzurichten. Natürlich wollte Ben nicht vom Schlimmsten ausgehen, doch er war schon zu lange bei der Polizei, um nicht alle Möglichkeiten im Auge zu haben. Außerdem kannte er Laura flüchtig durch Leonie und hielt es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass die Kleine einfach so weggelaufen war. Leonie selbst hatte ihm gerade eben noch einmal glaubhaft versichert, dass es sich nicht etwa um einen dummen Streich handelte. Nötig wäre das nicht gewesen, denn er hatte Leonie ihre Angst angesehen, auch wenn sie bisher sehr tapfer mit der Situation umging.
Ben hatte Katharina gebeten, jemanden zu organisieren, der alle Krankenhäuser abtelefonierte und auch auf dem Präsidium nachzufragen, ob eventuell eine passende Unfallmeldung vorlag. So hatte er bisher auch noch nicht erklären müssen, woher er Juliane und Leonie kannte. Er war selbst allerdings mehr als überrascht gewesen, als er den Anruf seiner Kollegin entgegengenommen hatte. Was für ein eigenartiger Zufall, dass Katharina ausgerechnet in die Nachbarwohnung von Julie eingezogen war. Die ganzen letzten Tage waren merkwürdig. Zum einen diese furchtbare Mordserie; dann die unerwartete Rückkehr von Benedict; Katharina, die er nach wie vor nicht recht einzuordnen wusste … Es wurde Zeit für klare Verhältnisse – und Ben wusste, dass er selbst seinen Teil dazu beitragen musste. Wohl war ihm bei dem Gedanken daran allerdings nicht.
16.45 Uhr
Während Ben in der Küche mit Juliane sprach, hatte Katharina sich neben Leonie auf das Sofa gesetzt. Die Kleine war wirklich erstaunlich tapfer, wenn auch sehr still, was unter normalen Umständen bestimmt so gar nicht ihrem Wesen entsprach. Katharina wollte sie nicht mehr als nötig mit der Situation quälen, aber sie hoffte, durch die beste Freundin von Laura vielleicht noch irgendetwas herauszufinden, was ihnen bei der Suche nach dem verschwundenen Mädchen helfen könnte. So fragte sie: »Leonie, sag mal, weißt du noch, was Laura heute getragen hat, also ihre Kleidung, meine ich?«
Leonie wirkte beinahe forsch, als sie prompt antwortete: »Na klar, als Frau merkt man sich so was doch immer!«
Katharina musste ein Schmunzeln unterdrücken, doch schnell riss sie sich zusammen. Es war momentan einfach nicht angebracht. Leonie fuhr direkt fort: »Wir hatten ausgemacht, dass wir heute beide einen Rock anziehen, weil das Wetter so schön ist. Ich hatte meinen Jeansrock an, und Laura einen blauen Stoffrock, wo unten so ganz kleine Rüschen dran sind. Der ist total chic! Und stell dir vor, Katharina – ohne uns abzusprechen, hatten wir beide das gleiche T-Shirt an. Das haben wir uns vor ein paar Wochen zusammen ausgesucht, mit Hello Kitty drauf! Das war lustig, weil wir ja auch den gleichen Schulranzen haben.«
Katharina stutzte, wusste aber selbst nicht so recht, warum. »Dann habt ihr euch ja heute ziemlich ähnlich gesehen, ihr zwei.«
»Klar, so wie es bei besten Freundinnen eben ist«, antwortet Leonie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Aber Laura hatte keine Jacke dabei, und als ihr nach der Schule kalt wurde, hab ich ihr meine geliehen. Mir ist nämlich nicht so schnell kalt, und ich weiß, dass Laura die total toll findet, weil sie knallpink ist! Damit fällt man gleich immer auf und …«
»Moment mal kurz, Leonie«, fiel Katharina dem Mädchen ins Wort. »Mal sehen, ob ich das jetzt richtig verstanden habe: Du bist heute Morgen mit dieser coolen Jacke zur Schule gegangen, aber auf dem Rückweg hat Laura sie angehabt. Und ihr habt beide den gleichen Ranzen und hattet heute auch noch das gleiche T-Shirt an, ist das so richtig?«
»Ja, sag ich doch. Aber wieso willst du das so genau wissen?«
»Nur so«, versuchte Katharina abzulenken, »ich hab mir gerade vorgestellt, wie toll ihr zwei ausgesehen haben müsst!«
In Katharinas Kopf ratterte es. Ein Gedanke hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher