Blutherz - Wallner, M: Blutherz
aufsuchen musste. Niemand aus der Klinik, beschloss sie. Hier brauchte keiner zu wissen, wie es um sie stand. Wer sagt denn, dass es wahr ist, beruhigte sie sich. Nur weil Richard das behauptet, bin ich noch lange nicht schwanger. Aber ihr Gefühl sprach das Gegenteil; zweimal schon die Anfälle von Übelkeit und ihre Monatsblutung war überfällig. Bildete sie sich das nur ein oder fühlte sie außerdem ein ungewohntes Ziehen in der Brust? Jedes dieser Symptome konnte auch andere Ursachen haben; am besten, sie machte zuallererst einen Schwangerschaftstest.
»Heute Abend die Kontrastmittelwerte.«
Sir Kennocks Satz riss Sam aus ihren Gedanken. Seine Worte bedeuteten, dass Andrew eine weitere unangenehme Untersuchung über sich ergehen lassen musste, die Blutanalyse in der Nuklearmedizin. Auch der Junge schien zu spüren, dass es ernst um ihn stand. Sonst hatte er dem Chef unbekümmerte Fragen gestellt, die das Team zum Lachen brachten, diesmal schwieg er und drehte sich stumm in die Positionen, um die Kennock ihn bat.
Sam trat vor. »Hat sich bereits ein neuer Spender gefunden?« Die Frage war heraus, bevor sie darüber nachdachte. Die Tatsache, dass Mrs Halifax ihre Nierenspende in letzter
Minute zurückgezogen hatte, war Andrew als Verschiebung erklärt worden. Sam verstummte; sie hätte sich auf die Zunge beißen mögen – aber das hatte schon ein anderer getan.
Sir Kennock wandte den Kopf mit einem Gesichtsausdruck, als habe er ein Insekt summen gehört. Er überging die Frage, plauderte noch kurz mit Andrew, danach zogen Kennock und seine Ärzte ab. Margret fasste Sam an der Hand und zog sie ins Bad.
»Noch ein solcher Fehler und ich kann dich hier nicht behalten«, sagte sie streng. »Was ist bloß los mit dir? Als du bei uns anfingst, dachte ich, aus dir wird eine gute Krankenschwester.«
»Bitte entschuldige, Tante Margret.«
»Wird dir die Arbeit zu viel? Sind es die Nachtschichten oder bummelst du in deiner Freizeit zu häufig?«
»Nein, Tante, das ist es nicht …« Was sollte sie, was konnte sie denn bekennen? So gerne Samantha jemanden ins Vertrauen gezogen hätte, war es unmöglich zu erzählen, was sich in den letzten Tagen zugetragen hatte.
»Du siehst erschöpft aus«, ließ Margret nicht locker. »Bist du krank?«
Es wäre der richtige Moment gewesen, nach einem guten Arzt zu fragen. »Ich komm schon klar«, entschied Samantha sich anders. »Bitte entschuldige noch einmal. Ich habe Andrew eben so gerne.«
»Das verstehe ich.« Die Tante nahm ihre Lernschwester bei den Schultern. »Aber in unserem Beruf muss man lernen, die Dinge nicht so nah an sich rankommen zu lassen. Also los, reiß dich zusammen.« Sie ließ Sam und den Patienten allein.
»Möchtest du, dass ich dich später in die Nuklearmedizin begleite?« Sam trat zu ihm ans Bett.
»Wenn du willst«, antwortete er scheinbar gleichgültig, aber sie spürte, es lag ihm viel daran.
Sam hielt den kleinen Streifen in die Höhe. Er war so blau, wie er nur sein konnte. Sie saß in ihrem Zimmer und hatte sich trotz aufgedrehter Heizung dicke Wollsachen angezogen. Sie fror am ganzen Körper. Es war so schrecklich, so unausdenkbar! Nun gab es fast keine Hoffnung mehr, dass Richard ihr bloß eine phantastische Geschichte erzählt hatte. Es hat alles mit Blut zu tun, einfach alles, erinnerte sie sich. Samantha wusste genau, was gerade mit ihrem Blut passierte. Die befruchtete Eizelle hatte sich in der Gebärmutter eingenistet und war damit an Sams Blutkreislauf angeschlossen. Ihr Körper produzierte ß-HGG, das Schwangerschaftshormon. Es zirkulierte bereits in ihrem Blut.
Sie ließ den Teststreifen auf den Tisch fallen, zog die Beine an und steckte den Kopf zwischen die Knie. Was sie einfach nicht begriff: Teddie hatte sie absichtlich geschwängert! Taddeusz, die erste große Liebe ihres Lebens, für den sie eine Leidenschaft empfand, derer sie sich noch gar nicht für fähig gehalten hatte. Am verwirrendsten war, dass sie diese absurde Sehnsucht weiterhin fühlte. Sie verzehrte sich danach, Teddie in seine Dunkelheit zu folgen; sie wollte ganz und für immer eins mit ihm werden.
»Du bist Krankenschwester am Chelsea and Westminster!«, riss sie sich in die Realität zurück. »Man hat dir beigebracht, wie der Körper funktioniert. Also nutze deine Kenntnisse!«
Sie war schwanger, daran gab es keinen Zweifel. Als Nächstes musste sie einen Arzt aufsuchen, um ihre Gesundheit und die des Fötus untersuchen zu lassen. Der Gynäkologe
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