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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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nicht.«
    Ein erstaunter Ausdruck lag auf dem Kindergesicht. »Weshalb bist du da so sicher?«
    »Weil ich deine Freundin bin. Und weil ich es einfach weiß!«
    »Mit Schwüren macht man keine Scherze.« Er hob den Kopf.

    Wieso hatte Sam den Eindruck, dieser Junge konnte in sie hineinsehen? Warum machte sie ihm unsinnige Versprechen – er hatte ja recht: Wenn nicht bald ein Wunder geschah, wurde sein Traum Wirklichkeit; er würde Weihnachten nicht mehr erleben. Teddies Angebot fiel ihr ein. Möchtest du, dass ich dem Jungen helfe? Taddeusz kannte Sir Kennock persönlich, im Unterschied zu Samantha, die von ihm nicht einmal wahrgenommen wurde. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, Andrew Hoffnungen zu machen. Es war unmöglich. Niemals durfte sie den Einfluss eines Vampirs benutzen, um jemand anderem zu helfen.
    »Wenn du manchmal nicht weiterweißt …« Sie sah ihn nicht an. »Was machst du dann?«
    »Ich denke mir aus, wie es wäre, nicht krank zu sein.«
    »Das sind Träumereien. Aber wenn das auch nichts mehr hilft, wenn du ganz unten bist, was tust du dann?«
    »Ist doch klar.« Er bewegte die Arme, die Schläuche und Elektroden machten klickende Geräusche. »Das macht doch jeder.«
    »Was?«
    »Ich laufe zu meiner Mama.« Er ließ den Kopf ins Kissen sinken. »Und seit ich nicht mehr laufen kann, kommt sie eben zu mir.«
    Der Ratschlag kam für Sam ganz unvermutet. »Deine Mama?«, sagte sie leise.
    »Natürlich.« Er schloss die Augen, als sei jede weitere Diskussion überflüssig.
    »Die Mama, natürlich.« Sam stand auf, betrachtete das schmale Gesicht und verließ leise das Zimmer.

    Samantha war beeindruckt; Tante Margret hatte großartig reagiert.

    »In letzter Zeit fällt mir auf, wie elend du aussiehst«, hatte sie gesagt. »Wärst du nicht selbst damit gekommen, ich hätte es dir in den nächsten Tagen vorgeschlagen.«
    »Nur übers Wochenende.« Sam war von einem Fuß auf den andern getreten. »Allerdings bin ich auf dem Dienstplan …«
    »Mach dir darum keine Sorgen.« Die Tante hatte auf dem Bildschirm die Diensteinteilung hochgeladen. »Dann übernimmt eben Mary deine Schicht.« Per Mausklick hatte sie die Namen ausgetauscht. »Schon erledigt.« Margret war aufgestanden. »Fahr nach Hause, Sam. Was immer dir Kummer macht, daheim findest du eine Lösung. Und grüß Louise von mir.«
    In ihrer Dankbarkeit hatte Sam sich zu einer Umarmung hinreißen lassen; wie immer war die Tante der Zärtlichkeit schroff begegnet.
    »Montag früh Dienstantritt Punkt sieben! Lauf schon.« Und Sam war gelaufen. Sie hatte alle Bedenken, ob es in ihrem Zustand überhaupt ratsam sei zu fliegen, weggewischt, ihr Konto geplündert und den billigsten Flug nach Newcastle gebucht. Sie hatte zu Hause angerufen, mit ihrem Vater gesprochen und ihm angekündigt, sie komme übers Wochenende heim. In seiner sanften Art hatte er versichert, ihr Zimmer erwarte sie.
    Jetzt saß Samantha im Flugzeug, sah den Airport von London Luton unter sich versinken und war froh, dass der Flug kaum eine Stunde dauern würde. Seit Andrew sie auf die Idee gebracht hatte, kannte sie nur noch die Freude auf ihre Heimkehr, sie wollte zurück ins Nest. Insgeheim war ihr klar, dass sie mit dieser Reise auch Teddie und seiner düsteren Aura für ein paar Tage entfloh. Und das war das Beste, was ihr im Augenblick passieren konnte.
    Die kleine Maschine landete in Newcastle-upon-Tyne. Sam
nahm den Shuttle zum Busbahnhof und von dort den Bus Richtung Carlisle. Sie hatte eine Sitzbank für sich, schlief ein halbes Stündchen, danach suchten ihre Augen bereits die ersten Anzeichen der vertrauten Gegend. Was war das nur? Wo kam diese Wärme her, die Zuversicht? Warum wurde Samantha so fröhlich ums Herz? Dort lag Lower Liargo, das Fünftausend-Seelen-Kaff im welligen Land. Es gehörte nicht mehr so recht zu England und noch nicht wirklich zu Schottland. Die Straße führte an der geschlossenen Zementfabrik vorbei, einem Schandfleck für die Gegend. Auf der Brücke lag noch Schlamm vom letzten Mal, als der Bach über die Ufer getreten war. Das Geschäft für Angelzubehör hatte noch immer keinen Anstrich gekriegt. Im Schaufenster der Bäckerei lagen wie stets die unansehnlichen Scones. Die Hauptstraße war zu schmal, weswegen die Fußgänger vor jedem heranbrausenden Moped zurücksprangen. Wie eh und je besaß der Hauptplatz als einzige Attraktion seine rote Telefonzelle. Der Ort hatte sich kein bisschen verändert, aber mit Sam war etwas passiert. Sie fand mit

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