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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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würde ihr Blut abnehmen – schon wieder Blut, immer das Blut! Sam
schlug die Hände vors Gesicht. Was sollte sie dem Doktor nur sagen? Wundern Sie sich nicht über die ungewöhnliche Blutzusammensetzung, ich erwarte das Kind eines Vampirs. Würde der Arzt ihren Zustand als Risikoschwangerschaft einstufen? Sam setzte sich gerade hin. Gab es bei Risikoschwangerschaften nicht noch einen anderen Weg? Ich könnte es wegmachen lassen, dachte sie und erschrak gleichzeitig darüber. Es gibt Fälle, bei denen die Abtreibung ärztlicherseits empfohlen wird. Bei schlimmen Missbildungen, absehbarer Lebensuntauglichkeit, bei möglichen Schäden für die Mutter … Richards letzte Worte kamen ihr in den Sinn. Als sie aus dem Café aufgebrochen waren, hatte sie trotzig gesagt, dass sie Teddies Kind ja nicht austragen müsse. Trotz der dunklen Brille hatte sie seine warmen, mitleidsvollen Augen gesehen.
    »Meine Leute sind nicht dumm«, hatte er geantwortet. »Sie haben dich, ausgerechnet dich gewählt.«
    »Ja und?«
    »Du bist Schottin und dein Vater ist Priester.«
    Sie nickte zögernd.
    »Würdest du es tatsächlich über dich bringen, das Kind zu töten?«
    Obwohl Samantha tief im Innern die Antwort spürte, hatte sie gesagt: »Warum nicht? Wenn es ein Monster wird!«
    »Ach Sam, du kennst dich selbst ziemlich schlecht.« Sie waren auf die Wiese hinausgetreten. Richard hatte die Arme auf den Rücken gelegt und war mit ebenso großen Schritten neben ihr hergegangen wie sein Bruder. »Ist dir bekannt, dass die jüngste Mutter auf der Welt, die ein gesundes Kind zur Welt brachte, die Peruanerin Lina Medina ist? Ihre Schwangerschaft begann im Alter von vier Jahren, bei der Geburt ihres Sohnes war sie selbst fünfeinhalb. Die älteste Frau der Welt, die nach einer künstlichen Befruchtung Zwillinge zur
Welt brachte, war 67. Die jüngste Mutter von sieben Kindern ist eine sechzehnjährige Argentinierin. Sie bekam mit vierzehn einen Sohn, dann zweimal hintereinander Drillinge, alles Mädchen.«
    »Warum erzählst du mir das?« Samantha hatte gespürt, dass Tränen in ihre Augen drängten, und die Lider zusammengepresst.
    »Um dir klarzumachen, dass die Wege des Blutes unergründlich sind. Das Leben, das sich im Blut entfaltet, ist so vielfältig und mysteriös wie die unzähligen Teilchen, aus denen Blut sich zusammensetzt. Etwas, das lebt, kann die phantastischsten Erscheinungsformen annehmen. So etwas für unmöglich zu halten, bedeutet nicht, dass es nicht passiert. Sieh mich an, bin ich nicht der beste Beweis für ein unnatürliches Lebewesen?«
    Hinter dem Schleier hatte Samantha sein trauriges Lächeln gespürt.
    »Das Kind, das du trägst, wird gewiss außergewöhnlich, vielleicht sogar ein Monster, aber nach den Gesetzen des Blutes wird es leben.«
    »Es wird leben«, wiederholte Samantha in ihrem Zimmer. Sie sprang auf und schlug gegen die Wand. Dickie hatte recht. Ein Kind! Das war doch das Höchste, das Wunderbarste, das einem geschenkt werden konnte. Nie im Leben würde sie einem Wesen, das in ihrem Leib wuchs, etwas Böses antun, geschweige denn, es umbringen.
    »Aber ich bin doch erst siebzehn«, flüsterte sie und hielt den Atem an. »Mein ganzes Leben würde sich dadurch …« Sie wusste nicht weiter. Frierend, zugleich von heißen Zweifeln geschüttelt, warf sie sich aufs Bett.

19
    E r schlief, als sie eintrat. Leise setzte sie sich auf den Besucherstuhl. Diesmal machten Sam die Geräusche der Geräte, die Andrews Zustand stabil hielten, nicht traurig, sondern versetzten sie in einen Zustand der Ruhe. Sie war nicht zum Arzt gegangen. Bevor sie ihr Schicksal in die Hände der Medizin legen würde, wollte sie mit jemandem sprechen, der kein Fachmann war, aber viel über Schmerz und Leid wusste. Als Andrew erwachte, lächelte Sam ihn an.
    »Ich habe von Weihnachten geträumt.« Er drehte sich zu ihr.
    »Ich träume auch viel in letzter Zeit, aber nicht so schöne Sachen wie Weihnachten.«
    »Ich war tot zu Weihnachten«, antwortete er schlicht. »Mein Sarg stand unter dem Weihnachtsbaum.«
    »Hör auf.« Sie beugte sich zu ihm und streichelte seine eingefallene Wange.
    »Mein Vater trug eine rote Mütze und war der Weihnachtsmann«, ließ Andrew sich nicht beirren. »Aber dann wurde ihm klar, dass kein Kind mehr da war, dem er den Weihnachtsmann vorspielen konnte. Daher blies er die Kerzen auf dem Baum wieder aus.«
    »Ich schwöre dir, du wirst noch viele Weihnachten erleben. Den Sarg brauchst du noch lange

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