Blutherz - Wallner, M: Blutherz
in ihrer Stimme. »Soll ich zu Teddie laufen und ihm sagen, dass ich sein Kind nicht will?«
»Du darfst Taddeusz überhaupt nicht mehr sehen.« Er fasste sie am Arm. »Das Beste wäre, du verschwindest, Samantha, du haust ab, tauchst irgendwo unter.« Seine Worte hallten unter dem Brückengewölbe nach.
»Weshalb?« Ihr Herz schlug bis zum Hals. »Solange ich schwanger bin, kann mir nichts passieren, hast du gesagt.«
»Normalerweise stimmt das auch. Das Ganze ist so verrückt! Ihr seid beide verrückt!« Er lief in den Nebel hinaus. »Du hast dich in einen Vampir verliebt und Taddeusz …«
»Ja?« Schon hatte sie ihn eingeholt. »Was ist mit Teddie?« Richards Brille beschlug, im Gehen nahm er sie ab und wischte sie trocken. »Auch wenn es das bei uns eigentlich nicht gibt, scheint er sein Herz für dich entdeckt zu haben.«
»Sein Herz?« Urplötzlich wurde Sam warm; die Ängste und Nöte rückten an den Rand ihres Bewusstseins, ihre Liebe zu Teddie überstrahlte alles. »Freut er sich auf sein Kind?«
»Samantha!«, schrie Richard sie an. »Eben wolltest du es noch wegmachen lassen! Und jetzt schmachtest du wieder nach diesem … nach meinem verfluchten Bruder! Weißt du, warum er dir das Bariactar-Elixier zu trinken gibt? Weil du das Wesen in deinem Körper sonst nicht ertragen würdest. Die Schmerzen würden dich töten!«
»Aber er ist doch nur zur Hälfte ein Vampir!«, entgegnete sie. »Die andere Hälfte, die von mir stammt, muss menschlich sein!«
Richard schüttelte den Kopf. »Die Vampirbrut ist stärker als du, selbst wenn sie noch klein ist. Du musst den Saft der Kirsche trinken, um dich zu schützen und zugleich den Vampir zu ernähren.« Er zeigte auf ihren Bauch, der sich selbst unter der dicken Jacke abzeichnete. »Was glaubst du eigentlich, wann es so weit ist?«
Vor einer Steintreppe, die ins Wasser führte, blieben sie stehen.
»Sag du mir, wann«, flüsterte Sam.
»Nicht, wie du denkst, nach neun Monaten.«
»Da bin ich schon selbst draufgekommen. Wann also?«
»Auch wenn Vampire sagenhaft alt werden, dauert ihr Wachstum im Mutterlieb nicht länger als …« Er holte tief Luft. »13 Wochen.«
Ungewollt begann sie zu lachen. »Das ist undenkbar.« Wusste sie es nicht besser? Hatte ihr nicht das Stoßen und Schlagen des Kleinen an diesem Morgen gezeigt, wie groß er schon war? Sprachen die Ultraschallbilder Dr. Caines nicht die gleiche Sprache? Zum dritten Mal an diesem Tag rechnete Samantha nach. »Das wäre ja … zu Weihnachten«, sagte sie tonlos. »Zu Weihnachten werde ich Mutter sein?«
»Wenn du dann noch lebst.« Richard starrte auf die schwarzen Wellen. »Ich meine, das Leben, wie du es kennst, wird vorbei sein. Auf eine andere Weise existierst du vielleicht noch, aber es wird dir schlimmer als die schlimmste Folter erscheinen.«
»Was soll ich nur tun?« Langsam, sich selbst kaum bewusst, trat Sam auf die erste Stufe ins Wasser. »Noch bin ich kein Vampir, sondern ein Mensch. Wenn es zum Äußersten
kommt …« Sie ging noch einen Schritt tiefer. »Ich könnte mich umbringen.«
Er antwortete nicht gleich. »Das wäre eine Möglichkeit«, sagte er schließlich, als sprächen sie über etwas ganz Belangloses.
»Mein Tod wäre die Rettung?« Auf der nächsten Stufe wurde Sams Fuß bereits vom eisigen Themsewasser umspült.
»Keine Rettung, nur die Chance, meiner Sippe zu widerstehen.«
Sie fühlte die Feuchtigkeit klamm ihr Bein hochkriechen. Sie roch den Nebel, roch den Tod. »Kannst du mir helfen?«, flüsterte sie. In dieser entsetzlichen Sekunde hoffte Sam, Richard möge ihr einen Stoß geben und ihr das Unausdenkbare erleichtern. Sie würde ins schwarze Wasser gleiten, hinuntersinken und von dem leidenschaftslosen Fluss fortgetragen werden, bis nichts von ihr, nichts von dem Furcht einflößenden Kind übrig geblieben sein würde.
»Hilfe von mir?«, hörte sie Richard sagen. »Ich bin ein Schwächling. Nutzlos von Geburt, untauglich von meinem Charakter.« Er seufzte tief. »Ich bin weder schwarz noch weiß, nicht gut oder böse, ich bin noch elender dran als du.« Er beugte sich über die steinerne Böschung. »Wenn es nur das Geringste ändern würde, stürzte ich mich noch vor dir ins Wasser.«
Eine ganze Weile sagte keiner von ihnen ein Wort. Ein merkwürdiger Gedanke bemächtigte sich Samanthas. Selbst Raubtiere, die man später hinter Gitter sperrte, waren nach der Geburt süß und hilflos. Man konnte sie auf dem Arm halten und mit ihnen spielen.
»Zu
Weitere Kostenlose Bücher