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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Schemen weiterer Gestalten ab, die sich im Dunkel verloren. Die Mönche sprachen nicht, beteten nicht, es war ein rhythmisches Keuchen und Murmeln, das Sam vernahm. Auch wenn ihr die Sprache unbekannt war, schälte sich ein wiederkehrendes Wort daraus hervor: Fortriu. Samantha hatte dieses Wort schon gehört, doch die Erinnerung ließ sie im Stich, in welchem Zusammenhang. Nur davon, dass sich mit diesem Begriff etwas Bedrohliches verband, war sie überzeugt.
    Jemand trat an sie heran, sein Antlitz blieb unter der Mönchskapuze verborgen. Er wurde von einem Zweiten begleitet, der trug eine durchsichtige Schale; eine rote Flüssigkeit schwankte darin. Der Mönch tauchte einen verdorrten Zweig hinein, dessen Blätter welk und grau waren. Als der erste Tropfen auf Samanthas Körper fiel, erwartete sie einen Schmerz, doch das
rote Nass verteilte sich auf ihrem gewölbten Bauch wie ein wundertätiges Öl. Sie dachte an Blut – Opferblut. Mensch oder Tier? Aber der Geruch, den die ölige Flüssigkeit verströmte, war nicht der des Blutes.
    »Barhyaghtar«, murmelte der Mönch und salbte Samanthas Bauch.
    »Barhyaghtar«, wiederholte sein Begleiter.
    Auch wenn sie das Wort anders aussprachen, sollte dies etwa der Wirkstoff der Bariactar-Kirsche sein? In dem Fläschchen, das in Sams Zimmer stand, war der Saft vielfach verdünnt; hier aber verwendete der Mönch den dickflüssigen Extrakt der Kirsche, ein Öl, das ihr abgepresst worden sein musste.
    »Was wollt ihr von mir?«, rief sie und hob den Kopf; ihr Bauch wölbte sich vor ihr auf. Ein einzelner Mönch trat aus der Versammlung, während die beiden mit der Schale im Zwielicht verschwanden. Der Mönch schlug die Kapuze zurück, Sam zuckte zusammen. Es war niemand anders als Valerian Kóranyi, der Vampir. Nicht länger hielt er den Anschein des freundlichen Vaters aufrecht, seine Augen funkelten böse, von den Zähnen tropfte Blut.
    »Ich will dieses Kind«, sagte er, den Blick auf Sams roten Bauch gerichtet.
    »Das Kind gehört der Mutter«, antwortete sie. »Es ist menschlich, du bist es nicht.«
    »Das Kind wäre menschlich, wenn die Mutter es wäre!« Bin ich bereits verwandelt?, durchfuhr Sam die Angst. Haben die Vampire mich überwältigt und zu einer der Ihren gemacht? Rasch legte sie zwei Finger auf ihre Halsschlagader. »Ich spüre meinen Herzschlag«, rief sie. »Mein Blut zirkuliert. Das deine aber ist längst erstarrt und verdorben. Darum musst du dich bis in alle Ewigkeit vom Blut anderer ernähren!«
    »Das Kind ist mein.« Unerbittlich kam der Vampir auf sie
zu. Gierig betrachtete er ihren aufs Äußerste gespannten Bauch.
    In ihrer Verzweiflung hob sie den Kopf zu dem von Dunkelheit umstrahlten Wesen. Samantha schrie seinen Namen: »Fortriu!«
    Da erhob sich ein Wind im Innern des Gemäuers, die Kerzen flackerten. Der Wind war eine flüsternde Stimme, die Stimme der schwarz leuchtenden Gestalt. Sam wollte verstehen, was sie sagte, doch der Wind legte sich bereits wieder, der Schein auf der Kanzel erlosch. Die Mönche näherten sich zum zweiten Mal mit der Schale und salbten Samantha, diesmal jedoch nicht nur den Bauch, sondern den ganzen Körper. Überall drang der Zweig mit der Flüssigkeit hin, auf jede Stelle ihres Körpers verteilte sich das Öl. Es dauerte nicht lange und Sam war von oben bis unten rot bestrichen. Blutig wie das Neugeborene, das ihrem Schoß bald entspringen würde, sah sie aus. Als der Mönch den Zweig an seinen Begleiter zurückgab, traute sie ihren Augen nicht: Die Blätter waren ergrünt, sie sprossen und wuchsen. Gleichzeitig fühlte Samantha in sich selbst ein Keimen und Spannen, ein freudiges Hervorwachsen, als flössen ihr aus dem Extrakt unbekannte Kräfte zu, als sei sie unbezwingbar und könne den Widerstand jedes Feindes brechen.
    »Wo bist du?«, rief sie Valerian zu, ihr Blick suchte den alten Vampir. »Jetzt nehme ich es mit dir auf!« Aber Valerian Kóranyi war verschwunden. Um ihn im Halbdunkel entdecken zu können, riss Sam die Augen weit auf …
     
    … und starrte an die Decke ihres Zimmers. Ihr Gesicht, ihr Hals und die Brust fühlten sich nass an. Hatte man sie tatsächlich mit rotem Saft beschmiert? Nein, es waren Tränen, die sie während ihres Traumes vergossen hatte. Ein heftiges
Schluchzen schüttelte Sam, sie presste die Faust gegen den Mund, doch das Schreien ließ sich nicht zurückhalten. Samantha schrie, schrie drei Stockwerke unter der Erde, in der Gruft, die ihr Zimmer war. Sie wollte aufspringen,

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