Blutherz - Wallner, M: Blutherz
klapperige Ding zu schwer. Hältst du’s noch ein bisschen in diesem Zustand aus?«
Statt einer Antwort flog die Fledermaus in die Nacht davon. Vorsichtig ließ Sam die Kupplung los und hob die Beine. Holpernd trug sie das Mofa auf den Weg und von dort die Rampe des Hadrianswalles hinunter. Das Mädchen und die Fledermaus verschwanden in der Dunkelheit.
34
R ichard stand vor Samantha – nackt. Ohne dass sie ihn zu auffällig betrachtete, musste sie zugeben, er war gut gewachsen. Ein paar Pfund mehr auf den Rippen und er konnte sich mit seinem schönen Bruder durchaus messen.
»Wir kommen auf dem klapperigen Ding unmöglich bis Glasgow!«, rief der vor Kälte schlotternde Vampir. Die schottische Nacht war eisig.
»Das sind von hier aus höchstens sechzig Meilen.« Sie öffnete ihren Rucksack und holte Richards Klamotten heraus.
»Sechzig Meilen auf einem Mofa?« Zitternd schlüpfte er in die Boxershorts und zog seine Socken an. »Wir holen uns den Tod!«
»Ich dachte, Vampire können nicht sterben.« Sie half ihm ins Hemd.
»Auf einen bloßen Verdacht hin willst du eine derartige Reise antreten?«
»Es ist unsere einzige Chance.« Sam sah ihn an. »Wir sind Fortrius Jüngern entkommen, na und? Deshalb hat sich unsere Lage kein bisschen gebessert. Bald werde ich einen Vampir gebären, du hast deine Familie verraten – jeder Untote Englands wird uns hetzen.«
»Hör zu.« Er wandte sich ab, um seine Hose zu schließen. »Das war blöd von mir, dir die Sache mit der Alten Heimat zu erzählen. Die Chancen, die Barhyaghtar-Kirsche dort zu finden, sind gleich null.«
»Im Gegenteil, es war der beste Einfall, den du je hattest. Ich bin überzeugt, in deiner alten Heimat liegt die Rettung für uns.« Entschlossen ging sie zum Mofa.
»Samantha, du träumst!« An der Schulter hielt er sie fest.
»Lass uns von mir aus nach Glasgow fahren, dort setz ich dich in ein Flugzeug – irgendwohin, nur weit weg! Versteck dich, bring das Kind zur Welt und danach …« Er ließ die Hand sinken. »Ach, ich weiß auch nicht, was danach sein wird.«
»Deshalb will ich die letzte Chance nützen, die ich noch habe. Alles, was ich dazu brauche, sind deine Kreditkarte und ein Internetcafé.« Sie schwang sich aufs Mofa und startete. Unbeholfen kletterte Richard auf den Gepäckträger.
» Sie finden uns, überall auf der Welt . Das sind deine Worte, Dickie«, sagte Sam über die Schulter. »Wir müssen nur schneller sein als sie.«
Als sie die Kupplung losließ und das Zweirad sich schwankend in Bewegung setzte, zweifelte selbst sie daran, dass es ihnen auf diesem Gefährt gelingen würde, schneller als irgendjemand zu sein.
»Halt dich fest!« Sie gewannen an Fahrt. Sam spürte, wie Richard die Arme um ihren Bauch legte. Seine Hände fühlten sich warm an.
»Wir müssen nicht mal umsteigen.« Sam ließ den Pfeil über den Bildschirm tanzen. Der Ort, den sie erreicht hatten, besaß weder Supermarkt noch Tankstelle; sie hatten lediglich einen Shop für einheimische Wollbekleidung gefunden. Vorne wurde Bier verkauft, hinten gab es einen Internet-Point. »Ist aber ziemlich teuer, der Flug.« Sie drehte sich zu Richard um.
»Das ist egal.« Er gab ihr die Kreditkarte. »Bloß weiß ich nicht, was wir in Bukarest sollen.«
»Du bist ein störrischer Esel. Wir nehmen den Frühflug nach Rumänien: Da ist es noch dunkel und du kannst ohne Maske reisen. Von Bukarest aus sind wir schon am Nachmittag in der Alten Heimat.« Sie zeigte ihm den Google-Ausdruck.
»Guck mal, nach Sibiu sind es nur 300 Meilen. Ein Katzensprung.«
»Und was willst du machen, wenn wir dort sind? Bei der erstbesten Tür klingeln und sagen: Guten Tag, hätten Sie etwas Kirschsaft für uns?«
»Das überlege ich mir, wenn ich vor der erstbesten Tür stehe.« Ihr Finger schwebte über der ENTER-Taste. »Also, bezahlst du?«
Wortlos nickte er. Samantha gab die Daten ein und buchte den Flug für zwei Personen mit Carpatair nach Bukarest. »Frühstück ist im Preis inbegriffen«, grinste sie. »Ich sterbe vor Hunger.«
»Erst müssen wir nach Glasgow kommen.« Missmutig starrte Richard auf den Drucker, der ihre Bestätigung ausspuckte.
»Wir haben die ganze Nacht Zeit.« Sie schloss das Programm, nahm die Papiere und bugsierte ihren Freund ins Freie.
Samantha täuschte sich. Sie hatten nicht die ganze Nacht Zeit. In Fortrius Festung auf dem Hadrianswall war mittlerweile eine nachtschwarze Fledermaus eingetroffen und hatte sich in einen wütenden Vampir
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