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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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sie das war, Sam Halbrook aus Lower Liargo, die Lernschwester, die werdende Mutter. Sie aber musste als dieses andere, dieses ihr selbst unbekannte Mädchen immer weiterlaufen, an ein Ziel, das aus Wahnsinn bestand. War es der Orkus, auf den sie zutaumelte, oder die allerletzte Erfahrung, die des Todes? Rennend begann sie zu schreien, springend riss sie sich die Jacke, den Schal, den Pulli vom Leib; im Unterhemd hetzte sie weiter.

    Sam wusste nicht, wie lange es sie so trieb, die Zeit hatte jede Bedeutung verloren. Erst als der letzte Nährstoff in Samantha verbraucht, der letzte keuchende Atemzug getan war, als ihr sich selbst vernichtender Körper keine Reserven mehr hatte, überkam sie eine allumfassende Schwäche, sie sank in eine erbarmungsvolle Ohnmacht; auf moosigem Boden fiel sie hin, das Gesicht unter den Händen geborgen. Um sie herum wogte der Nebel wie ein feuchtes Bett.

38
    D ie Tatze, die Samanthas Schulter berührte, war die klauenbesetzte Tatze eines Wolfes.
    Nachdem es Richard nachts im Wagen nicht mehr ausgehalten hatte, war er ausgestiegen und hatte die Schlafende kurz sich selbst überlassen. Als er zurückkam, war sie verschwunden gewesen. Er hatte nach ihr gerufen, gleich darauf ihre Spuren am Straßenrand gefunden und war ihr in das Waldstück gefolgt. Bald hatte er begriffen, dass es ihm mit den Sinnen eines Menschen nicht möglich sein würde, Sams Fährte aufzunehmen. Also war Richard auf alle viere niedergesunken und hatte sich der unendlichen Anstrengung unterzogen, abermals die Erscheinung zu wechseln. In seinem innersten Kern hatte er die Verwandlung begonnen, jede einzelne Zelle Richards war vom menschenähnlichen zum tierähnlichen Wesen mutiert. Denn er war vorher kein Mensch gewesen und er würde nachher kein Tier sein. Er blieb ein Vampir, dem das Gesetz der Metamorphose zu Diensten stand. Seinen Händen entsprossen schwarze Klauen, die Wirbelsäule verwandelte sich in die eines Vierbeiners; aus Haaren wurden Borsten, aus Zähnen
das fletschende Gebiss des Wolfes. Vor allem aber schärfte sich sein Geruchssinn. Der Vampir nahm die Witterung einer Schlange auf, die vor Stunden hier durchgekrochen war, er roch den Kot eines Kilometer entfernten Marders – seine Schnauze schnupperte nach Samantha.
    Sie war ihm eine weite Strecke voraus, Hügel, Schluchten und ein Fluss lagen dazwischen. Der Wolf preschte los. Seine Pfoten berührten kaum den Boden, so gewaltig waren die Sprünge, mit denen er durch das Dickicht setzte. Zwischendurch sah er hoch, schon verscheuchte das Morgengrauen die Nacht; es besorgte ihn nicht. Samanthas Schicksal war sein Antrieb, für sie sprang er in den erwachenden Tag.
    Er fand sie erst, als am Horizont bereits ein rosa Schleier aufschwebte; der Morgen schien klar und heiter zu werden. Richard fand das halb nackte Mädchen an einem Punkt, von wo aus jeder weitere Schritt den Tod bedeutet hätte. Sie lag auf dem felsigen Abbruch am Rand einer Schlucht. Hier ging es so tief hinab, dass der Boden des Abgrunds von Nebelschwaden bedeckt war. Wieso sie das Hindernis rechtzeitig bemerkt hatte, war kaum zu begreifen, denn ringsum herrschte dichteste Wildnis.
    Der Wolf stand über seiner Freundin, erleichtert, aber auch von unnennbarer Trauer erfasst. Er hob den schwarz bepelzten Schädel und stieß das schauerlichste Geheul aus. Das Mädchen regte sich nicht. Sie nahm auch nicht wahr, dass der Wolf mit den Zähnen ihren Gürtel packte und die Schlafende in die Sicherheit einer moosigen Kuhle zog. Er lief hierhin und dahin, suchte Blätter und Rindenstücke; mit der Schnauze stieß er sie über Samantha, deren Haut an manchen Stellen schon blau wurde. Zum Schluss ließ sich der Wolf so über ihr nieder, dass er sie mit seinem eigenen Körper wärmte. Aus ernsten Augen schaute er in den Tag.

    Jetzt erst, da die drängendste Sorge um Sam nachließ, nahm er seine Umgebung wahr. Dieser Abgrund war nicht das Ende der Welt. Dahinter, näher als gedacht, tauchte der nächste Bergrücken auf. Auf dem zerklüfteten Grat erhob sich ein klotziger Bau. Er war zu gleichen Teilen eine Burg, eine Festung – und ein Kloster. Er war von dicken, bewehrten Mauern umgeben, Wassergräben und Wälle schützten den innersten Kern, in dem der Wolf nichts anderes erkannte als eine Kirche. Von diesem Moment an wusste er, wohin die Schwangere gerannt war, welches Ziel sie während der ganzen Fahrt gehabt, von welchem Ort der Kraft sie sich angezogen gefühlt hatte. Er wusste es und es

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