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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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an einem Felsaufwurf des Münsterbergs, als dass es hätte sinnvoll erweitert werden können. Denn das Haus nebenan war von Anfang an für den Kirchenumbau reserviert gewesen. Dass man überhaupt aus den Stall- und Nebengebäuden einen einigermaßen bewohnbaren Kapiteltrakt nebst Sakristei und Chorhaus geschmiedet hatte, grenzte an ein kleines Wunder – ein Wunder, das freilich nur durch die Spenden der lothringischen Schwestern Wirklichkeit geworden war.
    Aber diese schwierige Zeit lag Jahre zurück, und mit der Enge hatte man sich längst arrangiert. Zudem lebten die in die Jahre gekommenen Nonnen genügsam, und Schwester Ute, Anna und Marianne hätten mit Sicherheit dagegen gestimmt, wenn es um bauliche Vergrößerungen gegangen wäre – was stets zum Streit mit den jüngeren Schwestern Antonia und Sibylle führte.
    Thema dieses Konvents war Barbaras Aufsässigkeit. Ihr Eigenwille missfiel besonders den älteren Schwestern, deren Zurechtweisungen immer weniger fruchteten. Damit war die Autorität in Frage gestellt und als Älteste nach der Mutter Oberin fühlte sich Schwester Marianne auf den Plan gerufen, mit einer Rede für eine nicht zu milde Maßnahme zu plädieren.
    Ihr und den im Konvent vereinigten Schwestern könnten die Flammen der äußeren Welt nichts anhaben. Und so sei es ihr höchster Wunsch, dass auch der ihnen allen anvertraute Schützling im Feuer des Weltgetriebes keinen Schaden nehme. Bildung, standesgemäße Beschäftigung und sittliche Vervollkommnung seien die Waffen, mit denen die Schwestern dieses Hauses ihren Schützling Barbara ausrüsteten, damit diese genauso wenig von den Glutflammen der Welt verzehrt würde wie die drei Jünglinge im Feuerofen. Aber wenn Unbotmäßigkeit, loses Mundwerk, Besserwisserei und Saumseligkeiten in den christlichen Pflichten das Maß überschritten, sei es angebracht, eine Strafe auszusprechen. Denn wie sonst sollte das hehre Programm erfüllt werden, das da heißt: Dem Herrn gefällig und den Menschen nützlich? Züchtigung tat in Ausnahmen not. Gott ließe sie gelten, weil er sich freue, dass man seiner Tochter mit Fürsorge begegne. Und daher werde die jetzt noch Uneinsichtige dankbar sein, weil sie erkennen müsse: Es hat mir genützt!
    Mit Pathos in der Stimme schloss Schwester Marianne und setzte hinzu, dass nach reiflicher Überlegung dieser Schritt durchaus noch für angemessen anzusehen sei. Selbst wenn in der Zwischenzeit der Tod des Bruders Gregor Barbara vorübergehend in geordnete Bahnen gesetzt habe.
    Doch so einfach wie Schwester Marianne es sich vorgestellt hatte, lief die Abstimmung nicht. Mère Bataille legte Wert darauf, zuerst die anderen Schwestern zu hören. Und dabei offenbarte sich schnell der Graben zwischen den Alteingesessenen und den Jüngeren. Zumal die Schwestern Marianne und Anna als ehemalige Bürgermeisterstöchter standesbewusst zueinanderhielten. Schwester Ute wiederum verstand sich nicht gut mit Schwester Catharina, weil sie ihr die Rolle der Ziehmutter neidete. Noch während Gretel Müllernzagels Ammenschaft hatte die Oberin Barbara nämlich Catharina zugesprochen. Berechtigterweise, denn von allen Schwestern war sie die einzige im angemessenen Mutterschaftsalter – Schwester Ute hatte es jedoch sehr getroffen.
    Schwester Antonia sprach gegen eine Disziplinierung. Wer mit Barbara nicht zurechtkomme, stelle nicht ihr, sondern sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus. Bei ihr führe sich Barbara gut. Wie sie die Lektionen im Rechnen und vor allem im Haushaltswesen memoriere, sei gutes Mittelmaß. Nur wenige ihrer Mitschülerinnen seien fleißiger.
    »Aber ihr Ton ist anmaßend!« hielt Schwester Marianne dagegen. »Natürlich bequemt sie sich auch bei mir, die aufgetragene Näharbeit voranzubringen. Aber erst nach tausend Mahnungen! Und wie schlecht. Mit geradezu bösartiger Gebärde! Dann will sie noch vordisputieren, dass dieses Fummelhandwerk, wie sie es unverschämt nennt, nicht mehr à la mode sei!«
    Schwester Antonia beging die Unvorsichtigkeit, geringschätzig, beinahe schon spöttisch zu schauen. Dass Handarbeit einem Mädchen wie Barbara nicht zusagen konnte, erschien ihr selbstverständlich.
    Leicht geziert im Ton entgegnete sie: »Mit Verlaub Schwester. Die heilige Angela von den uns sehr verwandten Ursulininnen sagt: Achtet die Freiheit des Willens. Und wollet ja nicht, dass man euch gezwungen folge. Denn Gott zwingt auch keinen.«
    Schwester Marianne musste sich beherrschen, um nicht wild drauflos zu

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