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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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eichenen Kavalier ihre Reverenz erwies.
    Nach geraumer Zeit empfand sie gar so etwas wie Stolz und fühlte sich, als heckten sie und der Baum eine Verschwörung aus. Was war eigentlich so merkwürdig daran? Gewiss, sie war bestimmt die einzige, die ihre Lippen für einen Baum hergab – aber küssten alle anderen nicht viel abwegigere Dinge? Männer zum Beispiel alle Arten von verschwitztem Stoff, der dem schönen Geschlecht die Haut geschmeichelt hatte, Frauen kalte Preziosen, Kinder eckiges Spielzeug. Morsche Gebeine, Ringe von Potentaten und Päpsten, geschnitzte Madonnen und Kruzifixe, Erde und Steine, selbst Tote wurden geküsst. Aber niemand kam auf den Gedanken, dass ein uralter lebendig-erhabener Baum mindesten ebensoviel Anrecht darauf hatte.
    Bald hatte Barbara alles andere um sich herum vergessen und die noch einige Schritte entfernte, plötzliche Stimme traf ins Leere. Erst beim zweiten Mal fand sie zu ihrem Ziel, gefasst in eine harmlos freundliche Frage, die Barbara aber nicht begriff. Mit verschleierten Augen sah sie auf den jungen Winzer, den sie nach und nach als den Burschen mit der Vogelscheuche und Drehknarre unter dem Arm wiedererkannte, der sie vor einer Woche so herausfordernd angelächelt hatte.
    Vor Scham glaubte sie, vergehen zu müssen und erwartete jede Sekunde, mit spöttischen Bemerkungen überschüttet zu werden. Doch der Rebbauer blickte mit entwaffnender Unschuld. Ohne irgendeinen verräterischen Beiklang in der Stimme fragte er: »Soll ich eine Leiter bringen? Ich tu’s gern!«
    Wie eine geistlose Puppe schüttelte Barbara den Kopf, war aber dem Himmel dankbar, dass ihre schamhafte Lähmung ihr wenigstens diese Art von Antwort eingab. Nach einem kurzen Moment des Schweigens hatte sie sich jedoch wieder gefasst: »Nein, nein. Es war ein Scherz. Aber bald, vielleicht.«
    »Vorgenommen hab’ ich es mir schon etliche Mal«, sagte der Bursche und schaute den Stamm hinauf in die Krone. »Aber es ist wie verhext: Entweder kam etwas dazwischen oder ich hatte es wieder vergessen. Aber Ihr seid unsere Nachbarin? Madame van Bergen?«
    »Ja. Hat Er es erraten?«
    »Nur ein klein wenig. Sicher im Gegensatz zu Euch?«
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte Barbara und strich ihr in Unordnung geratenes Haar langsam nach hinten. »Er ist ein Schnitzer, wie ich stärkstens annehme. Doch genauso wenig wie Er weiß, dass ich Barbara heiße, genauso …«
    »… wenig wisst Ihr, dass man mich Bernhard getauft hat«, fiel der Bursche ihr ins Wort und blitzte sie vergnügt an.
    Mit wohligem Stolz merkte Barbara, dass dieser Bernhard Schnitzer seine Bewunderung nicht verbergen konnte. Denn so beiläufig er sie auch zu mustern versuchte, seine Augen blickten eine Spur zu eindringlich. Und hinter dem Lächeln steckte der Schalk, der genau wusste, dass Burschen wie er für einen Kuss nicht viel Konversation brauchten.
    Trotz ihres aufkeimenden schlechten Gewissens gestand sich Barbara ein: Ihr Winzernachbar machte sie neugierig. Im gleichen Alter wie sie mochte er sein, dieser Bernhard Schnitzer und unwillkürlich regte sich eine schwache Eifersucht, als sie feststellte, dass er noch unverheiratet war. Bestimmt war er die begehrteste Partie im Dorf. Geordnete Verhältnisse schienen ihm nicht unbekannt zu sein, so selbstsicher wirkte er. Aufs Glücklichste gesellte sich dazu sein Äußeres: kräftig von Kopf bis Fuß, aber nicht bedrohlich. Mit Händen, die zupacken, beim Tanz aber auch führen konnten. Eine unbeschwerte, noch nicht von der harten Winzerarbeit geknechtete Biegsamkeit strahlte dieser Körper aus und – ob es die schlanken, muskulösen Beine waren oder die unter dem leicht geöffneten Hemd vorwitzig ruhende Brust – Barbara fühlte sich merkwürdig provoziert und auf eine widerstrebend Art angezogen.
    »Ich hoffe, Ihr schlagt es mir nicht ab, Euch gelegentlich helfen zu dürfen«, sagte Bernhard. »Geht doch das Gerücht um, Ihr wolltet jenseits unserer Eiche neue Zucht in die Reben bringen.«
    »Und? Glaubt Er´s? Oder besser: Traut Er´s mir zu?« fragte Barbara schnell zurück.
    »Möglich ist alles«, antwortete Bernhard und strahlte sie an. Etwas Jungenhaftes kam dabei zum Vorschein und seine geraden Gesichtszüge strafften sich wie in Erwartung eines Triumphs. »Es Euch nicht zuzutrauen, wäre auf jeden Fall beleidigend.«
    »Also hält Er nichts davon«, sagte Barbara gekränkt. »Meint wohl auch, die Frau eines Kaufmanns gehöre hinters Nähkästchen oder den Kartentisch, neben sich

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