Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
kleinstädtische Übersichtlichkeit ihrer oberrheinischen Heimat zurück sehnte. Hier auf besseren Fuß, von höherem Stand zu leben, erschien ihr hundertmal angenehmer als in Amsterdam ein gewöhnliches beschäftigungsloses Patrizierdasein zu haben.
Die Hochzeitsreise hatte aber auch ihre guten Seiten – obwohl Barbara sich in einem Punkt keinen Illusionen mehr hingab. Jenes delikate impedimentum esse , also Cees’ Behindertsein zu tun, was einem Mann zustand, hatte sich zwar nicht als schicksalhaft endgültig erwiesen, war aber doch weit entfernt von dem, was man landläufig einer jungen Ehe nachsah. Wenigstens hatte Cees so viel Anstand bewiesen, dass er am zweiten Amsterdamer Abend die Ehe vollzogen hatte – im Haus eines Freundes, nach einer opulenten Fisch- und Meeresfrüchtetafel, zu der reichlich Wein und Champagner gereicht worden war. Vielleicht hatte es am französischen Himmelbett des Gästezimmers – der Jugendfreund verteidigte vehement das Junggesellendasein -, vielleicht an der Qualität des Champagners gelegen: Ihr Ehemann hatte endlich zu ihr gefunden. Allerdings, sie heiß in die Arme zu schließen, dazu bekundete er keine Neigung, lieber begegnete er ihr, sozusagen, in habitu animalis , jener von der Kirche als gotteslästerlich verschrieenen Stellung. Barbara fügte sich fürs erste in ihr Schicksal und gab die Hoffnung nicht auf, dass Cees sich auch einmal nach der ihrer Neigung gemäßeren Art verhielt. Ließ sie es doch an nichts fehlen – gemäß den Forderungen, die der französische, in der Klosterbibliothek gefundene Anonymus an die Frauen stellte! Keinen Vorwurf hätte dieser ihr machen können, hätte er gewusst, wie gründlich Barbara seine Lektionen an ihrem Cees durchzuprobieren versuchte!
Doch wichtiger als dieser Makel war für Barbara, dass Cees ihr ermöglichte, einige Kellereien in der Champagne zu besuchen.
Schon nach einer Woche hatten sie Amsterdam den Rücken gekehrt, und dies nicht so sehr deshalb, weil Barbara sich in der Stadt unwohl fühlte, sondern weil Cees ein vorteilhaftes Geschäft abgeschlossen hatte, das ihn gutgelaunt vorschlagen ließ, die Champagne zu besuchen, um an Ort und Stelle ein paar Flaschen zu verkosten. Die Erfüllung eines Traums! Kaum dass Barbara begriffen hatte, dass er es wirklich ernst meinte, begann sie zu betteln und drängen. Nur die nötigsten Anstandsbesuche wurden noch gemacht und erst als beide in der Kutsche nach Utrecht saßen, hatte Cees wieder eine Erwachsene zur Frau. Von Utrecht ging es weiter nach Antwerpen und Brüssel, wo man sich in einem dreitägigen Aufenthalt von den Anstrengungen der ersten Etappe erholte.
Barbara fieberte vor Aufregung. Rebstöcke, Kellereien und Weine waren für sie jetzt das Wichtigste in der Welt. Voller Enthusiasmus stellte sie sich einen Fragenkatalog zusammen, in der Hoffnung, den Kellermeistern der berühmten Häuser einige Geheimnisse abzuluchsen. Schließlich hatten sie Reims erreicht. Und beide mussten sie immer wieder lachen, weil ihnen die ehrwürdige Kathedrale und der Triumphbogen aus der Römerzeit weniger imponierten als die Gasthäuser und Schankwirtsstuben, in denen der Champagner so selbstverständlich à la coupe , also im Kelch, ausgeschenkt wurde wie zu Hause der Krug Bier oder der Becher Wein.
In den darauf folgenden Tagen mieteten sie sich einen Zweisitzer und bei sommerlich warmer Luft kutschierten sie durch die Reblandschaft, deren viele eichenbewaldete Flecken Barbara wie ein steter Gruß vom heimischen Eichberg erschienen. Ab und zu ließ sie Cees anhalten, um sich Notizen über die hier gebräuchliche Art der Rebenziehung zu machen. Gelegentlich hatte sie das Glück, einen Rebbauern bei der Nachlese zu treffen, doch was sie ihm entlockte, war auch nur dasjenige, was ihr die eigenen Beobachtungen verrieten.
Im übrigen hatte sie bald heraus, dass die Champagnerbauern keine Hexenmeister waren. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Lehrzeit bei den Zisterziensern ein Fundament darstellte, auf dem sie sicher aufbauen konnte. Dass die hiesigen Trauben einen so guten Wein ergaben, lag fast ausschließlich am Boden und der war gottgegeben. Immer deutlicher wurde: Das wahre Geheimnis des Champagners, das, was ihn vor allen anderen Getränken auszeichnet, bestand in der Kunst des Verschneidens von verschiedenen Weinen, der Vermählung unterschiedlichster Lagen und Jahrgänge zu einem gleichsam zaubrischen Elixier, das durch die anschließende Gärung in der Flasche zur
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