Blutige Erde Thriller
Wange, doch es war unmöglich zu sagen, ob es sich um eine Träne handelte oder nur um Schweiß.
»Ich habe immer gewusst, dass ich einmal so enden würde«, sagte er. »Aber trotzdem habe ich irgendwie Angst.«
Der Klang seiner Stimme war merkwürdig beruhigend. »Ich auch«, sagte Josh. Und dann drückte er den Abzug.
EINUNDVIERZIG
Die Außenbezirke der Stadt waren ruhig, was gut zu dem Schweigen passte, das während der letzten fünf Stunden im Wagen geherrscht hatte. Annika hatte zwar versucht, ein Gespräch anzufangen, doch nur einsilbige Antworten erhalten. Jetzt saß sie regungslos auf dem Beifahrersitz und starrte hinaus auf das Licht der Herdfeuer, das aus den Hütten am Rand der Straße sickerte.
Was gab es schon zu sagen? Er hatte einen Menschen umgebracht. Der Beweis dafür war überall um ihn herum zu finden: das ledergepolsterte Innere des Land Cruisers, das Telefon und die Brieftasche, die auf dem Armaturenbrett lagen, der Diamantring, der im Becherhalter klapperte. Alles von Stephen Trent gestohlen. Oder genauer gesagt, der Leiche des Menschen abgenommen, dessen Leben er beendet hatte. Joshs Blick wanderte zu Gideons Pistole, die auf der dunklen Ablage schimmerte, und er fragte sich, ob der Afrikaner inzwischen tot war. Und wenn nicht, was er und seine Männer dann gerade durchmachten.
»Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?«, sagte er schließlich, und seine Stimme klang im Wageninneren unglaublich laut.
Annika wandte sich vom Fenster ab. »Ich verstehe nicht, was diese Frage soll.«
»Diese Leute hätten Stephen umgebracht. Ich … ich habe ihm das erspart. Das verstehst du doch, oder?«
»Verstehen?« Sie stieß ein bitteres Lachen aus. »Nach allem, was er getan hat, nachdem er die schutzlosesten
Menschen auf der Welt ausgebeutet hat, die Frauen und Kinder … hätte ich ihn den Yvimbo überlassen.«
Sie war zu Gideon gegangen, als er weggeschleift wurde, und hatte ihn gefragt, was mit ihrem Dorf geschehen war. Die Antwort bestand aus einem Schwall Drohungen, doch es war eindeutig daraus hervorgegangen, dass bisher noch niemand etwas unternommen hatte. Man musste sich erst um das öffentliche Image und die Logistik kümmern, bevor man Völkermord begehen konnte.
»Annika …«
»Ich meine das so, Josh. Ist das nicht seltsam? Ich habe nicht gewusst, dass ich in der Lage bin, so zu fühlen. Würde Mtiti in diesem Augenblick vor mir stehen, ich würde ihn umbringen. Und ich würde es nicht bereuen. Ich glaube sogar, ich würde es genießen.«
Die Erinnerung an den Rückschlag der Waffe und das Geräusch von Trents letzten Atemzügen drehten ihm den Magen um. »Es zu tun ist etwas anderes, als darüber zu reden.«
»Ach, tatsächlich? Wie würde es sich anfühlen, Mtiti zu töten? Wie würde es sich anfühlen zu wissen, dass ich die Menschen gerettet habe, die für den größten Teil meines Erwachsenenlebens meine Familie waren?«
Er starrte einige Augenblicke lang angestrengt durch die Windschutzscheibe, um die dunklen Umrisse der Hauptstadt zu erkennen, die vor ihnen lag. »Ich möchte dir gerne helfen, Annika. Und ich möchte auch den Menschen hier helfen. Aber oberste Priorität hat für mich, am Leben zu bleiben und dafür zu sorgen, dass es meiner Schwester gutgeht. Ich kann Afrika nicht retten. Das können nur die Afrikaner.«
Annika wandte sich ab und sah wieder zum Fenster hinaus. Gut fünf Minuten vergingen, bevor sie wieder sprach. »Früher habe ich Gott überall gesehen. Doch ich
frage mich mehr und mehr, ob er diesen Ort vergessen hat.«
Durch die Dunkelheit und den Rauch hindurch wurde vor ihnen ein gepanzerter Truppentransporter sichtbar, der mitten auf der Straße stand, so dass Josh in eine Seitenstraße einbiegen musste, um nicht entdeckt zu werden.
»Scheiße, das ist schon der dritte!«
Er hatte gehofft, dass Mtiti die Männer abgezogen hätte, die den Zugang zu den Konsulaten blockierten, so dass sie hineingelangen und dort Hilfe finden könnten. Doch durch Nachlässigkeit wird niemand zum Präsidenten eines afrikanischen Landes. Elektrizität, Telefon und Internet funktionierten immer noch nicht, was jede Kommunikation mit der restlichen Welt unmöglich machte. Trents Satellitentelefon lag aufgeladen und verlockend da, doch man konnte nie wissen, wer mithörte und vielleicht in der Lage wäre, ihren Standort ausfindig zu machen.
In einer ungewöhnlich stillen Seitenstraße ließ Josh den Wagen ausrollen und schaltete die Scheinwerfer aus.
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