Blutige Erde Thriller
die von einer uralten Eiche beherrscht wurde. In ihren Ästen befand sich ein kunstvolles Baumhaus. Obwohl sie sieben Tage die Woche daran gearbeitet hatten, mit gestohlenem Holz von einer nahe gelegenen Baustelle, brauchten er und Laura einen ganzen Sommer, um es zu bauen.
Laura war damals acht Jahre alt gewesen, und der Freund, den ihre Mutter zu der Zeit hatte, gehörte zu den brutaleren Arschlöchern, mit denen sie sich in ihrem Leben eingelassen hatte. Das Bauprojekt war für Josh und Laura eine wunderbare Entschuldigung gewesen, nicht zu Hause zu sein, bis dieser Schweinehund schließlich seiner Wege gezogen war.
Er trat bis auf wenige Schritte an den Stamm heran und sah hinauf zur Unterseite der Plattform viereinhalb Meter über sich und zu den in Tennisschuhen steckenden Füßen, die über den Rand baumelten.
»Laura! Komm da runter. Es ist nicht mehr sicher.«
Sie beugte sich vor und sah zu ihm hinab. Zum ersten Mal konnte er sich eine ganz andere Zukunft für sie vorstellen: ein hübsches Haus, eine gute Arbeit und einen
Mann, der sie liebte. Vielleicht sogar ein paar Kinder und einen Geländewagen mit einem Aufkleber, der mit ihren hoch akademischen Grundschulleistungen prahlte.
»Sie haben es dir also gesagt?«, rief sie nach unten.
»Dass ich in den Schuppen verfrachtet werde? Ja.«
Er kletterte hoch und betrat durch die Falltür das Innere des Hauses. Es war jetzt mehr oder weniger leer, doch noch immer trocken und erstaunlich solide. Ein Beweis seines baulichen Geschicks, das er schon als Jugendlicher besessen hatte.
»Ich will nicht, dass du gehst«, sagte sie, als er sich neben sie setzte. »Vergiss die ganze Sache und bleib hier bei uns. Du könntest einen Job in der Stadt bekommen.«
»Als was?«
»Ist doch egal?«
»Mir ist es nicht egal, Laura. Das ist eine Gelegenheit für uns beide, aus all dem hier rauszukommen. Etwas Besseres zu machen.«
»Die Gegend, in die sie dich schicken, ist grauenhaft und gefährlich. Oft gibt es keine Elektrizität, dafür aber alle möglichen Krankheiten. Und jeden Tag werden Menschen umgebracht.« Sie drehte sich um und sah ihm direkt ins Gesicht. »Weißt du, wie? Sie benutzen nicht einfach nur Gewehre, manchmal -«
»Genug, okay? Ich kenne die blutigen Details. Genau deshalb gehe ich. Ich will versuchen, das zu ändern.«
»Weil du so ein großer Afrikaexperte bist?«
»Mein Gott, Laura. Du tust, als sei ich ein Idiot oder so.«
Sie zog ein Stück Papier aus der Tasche und hielt es hoch. Es war eine unbeschriftete Karte von Afrika. »Zeig mir, wo du hingehst.«
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die vielen kleinen Farbflecken, doch in Wahrheit sahen sie alle ungefähr gleich aus.
»Darauf hast du den ganzen Tag gewartet, stimmt’s?«
»Ich bin auch kein Idiot, Josh. Das war’s, nicht wahr? Das ist die einzige Arbeit, die du finden konntest.«
Es wäre sinnlos gewesen, zu lügen. Sie hätte ihn durchschaut.
»Das ist eine gute Gelegenheit für uns beide, Laura. Ich -«
»Weil es genügend Geld fürs College bringt? Ich kann für mich selbst sorgen.«
»Ist mir schon klar.«
Sie legte sich zurück auf das raue Holz und starrte durch die Blätter über ihnen hinauf in den Himmel. »Es gibt so viele böse, dumme Menschen auf der Welt, und ausgerechnet du findest keine Arbeit. Das ist nicht fair.«
»Tja, das Leben ist nun mal leider nicht fair.«
»Tu das nicht für mich, Josh. Wenn dir irgendetwas zustößt, wüsste ich nicht, was ich machen soll.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und das erinnerte ihn an das letzte Mal, als er sie hatte weinen sehen. Bei seiner Verurteilung.
»Es wird alles gut werden«, sagte er und legte sich ebenfalls zurück. »Es hätte mir wahrscheinlich sowieso nicht gefallen, den ganzen Tag an einem Schreibtisch zu sitzen.«
SIEBEN
Josh beschattete seine Augen mit der Hand und sah zu, wie zwei Männer mit nackten Oberkörpern das Gepäck aus dem Flugzeug warfen. Keiner der anderen Passagiere schien beunruhigt, als die Koffer auf den Boden krachten, und er imitierte ihre gleichgültige Gelassenheit, als eine seiner Taschen aus zweieinhalb Metern Höhe in die Tiefe fiel.
Als er auf sein Gepäck zuging, bemerkte er, dass die Sohlen seiner Turnschuhe tatsächlich zu schmelzen begonnen hatten und bei jedem seiner Schritte ein deutlich hörbares Schmatzen von sich gaben.
In Kentucky war es heiß gewesen während des Sommers, manchmal sogar auf brutale Weise heiß, aber das hier war anders. Es war,
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