Blutige Stille. Thriller
von Männern stammten. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass ihre großen blauen Augen mehr dazu beigetragen haben als ihre Tippgeschwindigkeit und ihr Organisationstalent. Doch ich gebe mir Mühe, meine Voreingenommenheit zu kontrollieren. Solange sie pünktlich ist und ihren Job ordentlich macht, hat sie eine Chance.
»Ich fahre noch mal raus zur Plank-Farm«, lasse ich sie wissen.
»Ganz allein?« Ihr Blick sagt mir, dass sie lieber tot umfallen würde, als so etwas zu machen. »Im Radio haben sie gesagt, dass sich ein ganz schön schlimmer Sturm zusammenbraut.«
»Nun, dann versuche ich eben, schneller zu sein.«
»Das macht einem doch bestimmt ganz schön Angst, so ohne elektrisches Licht.«
»Ich gebe mir Mühe, niemandem Angst zu machen.« Lächelnd ziehe ich die Tür auf. »Bis morgen.«
Der Sturm ist zwar noch nicht da, aber der Wind hat deutlich zugenommen. Blätter huschen wie Krabben über den Gehsteig, als ich zu meinem Explorer gehe. Ich kann den Regen schon riechen und hoffe, dass ich die Farm erreiche, bevor er in Kübeln runterkommt.
Bei der Fahrt aus der Stadt behalte ich den Himmel im Auge und habe Glück: Die ersten dicken Tropfen platschen erst auf meine Windschutzscheibe, als ich auf den Hof der Plank-Farm einbiege. Ich parke hinter dem Buggy, wobei meine Scheinwerfer kurz das Warnschild für ein langsam fahrendes Fahrzeug anleuchten. Der Wagen der Spurensicherung ist leider nicht mehr da. Ich hatte gehofft, sie noch vor Ort anzutreffen und mit ihnen reden zu können. Hoffentlich liegt ihr Bericht dann gleich morgen früh auf meinem Schreibtisch.
Ich bin mit der Stablampe in der Hand auf dem Weg zur Hintertür, als ein Blitz den Himmel zerreißt. Auf der Veranda flattert Absperrband im Wind. Die Blutflecken sind noch da, doch der Regen wird sie bald wegwaschen. Ich ducke mich unter dem Band hindurch, schließe die Tür auf und gehe ins Haus.
Noch immer riecht es nach Tod. Ich leuchte mit der MagLite die Küche ab. Schwarzgraues Rußpulver, um Fingerabdrücke sichtbar zu machen, überzieht die Ablagen und Schränke, den Tisch und das Spülbecken. Mehrere Schubläden stehen halb offen. Jemand hat Erde auf dem Flickenteppich hinterlassen. Ich denke an Bonnie Plank und frage mich, wie oft sie wohl ihre Kinder ausgeschimpft hat, weil sie Dreck ins Haus geschleppt hatten.
Draußen stürmt es inzwischen so heftig, dass die Fensterläden klappern, doch hier drinnen ist es ruhig wie in einer Unterwasserhöhle. Es ist wirklich nicht die beste Zeit, nach Einbruch der Dunkelheit hier rumzusuchen, wo ich absolut nichts sehen kann. Doch ich weiß jetzt mehr über die Planks, besonders über Mary. Ein junges Mädchen mit einem großen Geheimnis und gewaltigen Problemen, die durch dieses Geheimnis verursacht worden waren. Deshalb werde ich ihr Zimmer als Erstes durchsuchen.
Ich stehe in der dunklen Küche und stelle mir vor, was in der Mordnacht passiert sein könnte. War es so dunkel wie jetzt, als der Mörder kam? Hatten sich schon alle schlafen gelegt, oder war das Haus noch erleuchtet vom Schein der Laternen? Da sie schon um vier Uhr morgens mit Melken anfingen, waren sie wahrscheinlich früh zu Bett gegangen.
»Die Planks lagen im Bett«, sage ich laut.
Im Kopf eines Mörders spielen sich finstere und boshafte Dinge ab, er wird geleitet von vielen schwarzen Gedanken und einem geheimen Hunger, wie ihn sich die meisten Menschen nicht einmal vorstellen können. Und auch nicht wollen, weil sie die Welt dann nie wieder so sehen könnten wie davor. Sich in eine solche Gedankenwelt hineinzudenken, ist wie der Abstieg in eine Gruft, um sich an eine verwesende Leiche zu kuscheln. Und doch muss ich es tun, ich öffne die imaginäre Tür und trete ein, beschwöre Gedanken herauf, die mir hoffentlich eine Antwort auf das Wer, Wann und Wie geben können.
Ein Blitz erhellt sekundenlang die Küche. Ich leuchte die Hintertür an. Ob der Mörder da reingekommen ist? Es gibt keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens. Was laut Reuben Zimmerman auch nicht nötig war, da sie die Tür ja niemals verriegelten. Oder wurde er sogar hereingebeten? Weil sie ihn kannten?
Der Mörder betritt also das Haus durch die unverschlossene Hintertür. In der Hand hat er eine Waffe und eine Lampe, in der Tasche eine Rolle Lautsprecherkabel. Er trägt Handschuhe. Alles deutet darauf hin, dass er die Tat vorsätzlich geplant und begangen hat. Er hat Angst, ist aber auch getrieben – und erregt. Er weiß, was er
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