Blutige Tränen (German Edition)
Suche nach etwas Essbarem – und um sich ein wenig umzusehen. Er streunte durch das große, prunkvoll eingerichtete Schloss und bewunderte Dygwions erlesenen Geschmack.
Ein unterdrücktes Stöhnen ließ ihn schließlich aufhorchen. Vorsichtig ging er dem Geräusch nach. Und als er den großen Saal betrat, bot sich ihm ein erschreckendes Bild. Er war im ersten Moment zu erstarrt, um irgendwie zu reagieren. Und so sah er einfach stumm zu, wie Jeromes Faust in das Gesicht des jungen Mannes flog, der von zwei seiner Kollegen an den Schultern festgehalten wurde. Blut floss aus Nase und Mund des Mannes, er sah bereits übel zugerichtet aus und wäre sicher zu Boden gestürzt, hätten die anderen beiden ihn nicht gehalten.
Jerome holte zu einem boshaften Schlag in die Magengrube des Blutenden aus. Und endlich ließen sie ihr Opfer los, und es stürzte zu Boden.
»Du bist Abschaum! Der allerletzte Dreck. Du bist es nicht wert, dass meine Klinge dich berührt«, sagte Jerome emotionslos und stieß dem am Boden Liegenden die Stiefelspitze in die Rippen.
Der Mann stöhnte leise.
Julian näherte sich den Männern, er hatte seine Erstarrung noch nicht ganz abgeschüttelt. Trotzdem mischte er sich ein. »Was soll das, verdammt noch mal?! Hör auf damit!«
Jerome drehte sich zu ihm um und schüttelte seine Hand aus. »Ah, Julian.«
Er warf ihm einen einschüchternd langen Blick zu. »Halt dich da raus. Das hier geht dich nichts an.«
Julian erwiderte den kalten Blick. »Das sehe ich anders.«
»Der«, Jerome zeigte auf den jungen Mann am Boden, »wird sich unseren Ritualen unterwerfen, er wird sich mir unterwerfen, wenn er der Verbindung beitreten will.«
»Der Verbindung beitreten?« Julian konnte seine Verblüffung nicht verbergen.
Jerome nickte ungeduldig. »Jeder muss sich unseren Initiationsriten unterwerfen.«
»So?« Julian tippte sich an die Stirn. »Seid ihr total bescheuert?«
Abrupt veränderte Jerome seine Haltung, er trat einen Schritt auf Julian zu. »Hüte deine freche Zunge – oder ich fordere dich!«
Die beiden standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber. Doch Julian wollte nicht nachgeben. Fast hätte er etwas Ungehöriges erwidert und damit einen wirklichen Kampf provoziert – in dem er auf jeden Fall unterlegen war. Es sei denn, sie hätten mit Messern gekämpft ... Doch einer von Jeromes Freunden ging dazwischen.
»Aber, aber, meine Herren ... Warum diese Aufregung?« Er packte Julian energisch am Arm und zog ihn ein Stück beiseite.
Unwillig betrachtete Julian den Schlichter. Er war ein Mischling mit edlen asiatischen Gesichtszügen und schimmerndem blau-schwarzen Haar. Das Exotische an seinen Zügen war der deutlich europäische Einschlag, die blauen Augen.
»Ich rege mich gar nicht auf«, behauptete Julian bockig. »Ich werde doch wohl noch meine Meinung sagen dürfen?!«
Der Asiate sah ihn ruhig an. »Man sollte genau abwägen, ob es wichtiger ist, seine Meinung zu äußern oder unversehrt zu bleiben.«
Julian machte sich mit einem heftigen Ruck los. »Ich verlange, dass ihr sofort aufhört, auf diesen armen Kerl einzuschlagen. Ritual hin oder her! Wir sind doch alle vernünftige, zivilisierte Menschen!«
Der Asiate hob beschwichtigend die Hände. »Das sind wir, in der Tat, doch wir leben hier nach bestimmten Regeln. Wir sind eine elitäre Gemeinschaft und hier gelten unsere Gesetze. – Nur unsere Gesetze.«
»Das ist doch alles ausgemachter Blödsinn! Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass der Typ da sich freiwillig zusammenschlagen lässt ...«
»Mehr oder weniger«, räumte der Asiate ein. »Er wusste, dass der Preis für eine Aufnahme in die Verbindung hoch ist.«
Julian starrte sein Gegenüber an. Er konnte gar nicht glauben, was er da hörte. »Das sieht mir aber gar nicht nach einem Initiationsritus aus, sondern nach einer internen Strafaktion.«
Der Asiate verzog keine Miene. »Wenn du meinst ...«
Plötzlich mischte sich Jerome wieder ein. »Das ist hier keine Meinungsumfrage, Stan. Ich möchte, dass du Julian hier herausschaffst. Männer, die die Blutsbande nicht ehren, werden die Verbindung niemals verstehen.«
Julian blitzte ihn wütend an. Er war kurz davor, Jerome eine Ohrfeige zu verpassen. Doch er schaffte es gerade noch, sich zurückzuhalten.
»Eure Sitten und Bräuche sind völlig indiskutabel!« ereiferte er sich.
Jerome grinste hinterhältig, die Narbe auf seinem Gesicht kräuselte sich. »Willst du etwa mit uns über Moral diskutieren?«
Er ließ
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