Blutige Verfuehrung 2
abzuwarten, sagte ich:
"Wir gehen jetzt zum Frühstück, aber ich melde mich bei dir ganz bald! Ich liebe dich." Dann legte ich auf. Mareike sagte, während sie ihre Locken mit einem Handtuch bearbeitete:
"Du – und eine platonische Liebesgeschichte! Das glaube ich nicht. Wo bleibt da der Sex?" Sie lachte mir offen ins Gesicht, als sie bemerkte, dass ich sie verständnislos ansah. Mareike kannte mich sehr gut und sie ahnte oft Dinge, die sie unmöglich wissen konnte. Und doch lag sie meistens richtig. Doch mir war nicht gerade nach Scherzen zu mute.
"Die anderen sind gerade hinuntergegangen", sagte sie,
"wir sollten uns beeilen." Jetzt kam also der Moment, wo ich Farbe bekennen musste.
Als wir die Gaststube betraten, saßen Ben und Lucky schon am Tisch und tranken Kaffee. Mareike fragte:
"Habt ihr Ikarus nicht geweckt?" Ben und Lucky schüttelten den Kopf und zu mir gewandt sagte sie:
"Und du, weißt du ob er noch schläft?" Dabei legte sie den Kopf fragend zur Seite und ein wissendes Lächeln spielte um ihren Mund.
"Er ist nicht hier", sagte ich und setzte mich auf meinen Stuhl. Alle Augen waren auf mich gerichtet.
"Er ist oben geblieben, bis ich heute Abend wieder dort aufkreuze."
"Was soll das heißen?" fragte Lucky.
"Ganz einfach: sie haben ihn als Pfand behalten, damit ich wieder komme." Das war zwar nur ein Teil der Wahrheit, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es nur darum ging, mich zur Rückkehr zu bewegen.
"Verfluchte Vampire!", sagte Ben.
"Du hast sie also wirklich getroffen!" Lucky sah mich vorwurfsvoll an, dann sagte er:
"Ja, seit heute Morgen glaube auch ich an Vampire, so schwer es mir fällt!" Dabei sah er mich mit Kennerblick an. Er hatte gesehen, wie ich aus Bens Hals Blut gesaugt hatte und die Fantasie ging mit ihm durch.
"Wir werden uns heute die Burg bei Tage ansehen, vielleicht liegt Ikarus betrunken in irgend einer Ecke!", sagte Mareike, die sich noch immer nicht vorstellen konnte, dass ich mich mit Vampiren getroffen hatte.
Ich beschäftigte mich eingehend mit meinem Brötchen und kaute auffällig langsam. Der Blick von Lucky lag noch immer auf mir und er war nicht besonders freundlich. Dann sagte er:
"Hast du eigentlich von Anfang an gewusst, dass wir hier Schwierigkeiten bekommen würden?"
"Was heißt hier Schwierigkeiten, bis jetzt war die Reise doch ein voller Erfolg und es hat euch gut gefallen. Wir werden heute die Burg besichtigen und morgen ist Ikarus wieder bei uns."
Ich schien nicht besonders überzeugend geklungen zu haben, denn Mareike sagte nachdenklich:
"Vielleicht erzählst du uns besser die ganze Wahrheit. Das mit Ikarus kann doch nicht stimmen. Warum haben sie ihn und nicht dich festgehalten?" Ich schluckte tapfer das trockene Brötchen hinunter.
"Es ist die Wahrheit", sagte ich krächzend.
"Sie wollen, dass ich mich von euch verabschiede und zu ihnen in den Clan komme. Dann ist Ikarus wieder frei." Ein tiefes Schweigen breitete sich an unserem Tisch aus. Jeder sah nur auf seine Tasse oder die Hände. Lucky fing sich als erster wieder:
"Und du bist sicher, dass sie ihn nicht als ihre Blutmahlzeit behalten haben und er vielleicht schon tot ist?"
"Wir sollten sofort die Polizei einschalten.", sagte Mareike. Ich sprang auf.
"Nein, keine Polizei!" Ben fasste nach meinem Arm.
"Beruhige dich wieder, das mit der Polizei ist wirklich schwachsinnig. Wer sollte uns denn auch nur ein Wort glauben? Ihr habt den Reiseführer nicht gelesen, aber ich! Die Vampirgeschichten sind alle erfunden, zumindest im Zusammenhang mit der Burg Bran. Dracula war nie hier. Wenn Lucy dort oben irgendein Phänomen getroffen hat, dann wird es sich hoffentlich klären lassen und ich glaube auch, dass Ikarus nur irgendwo betrunken herumliegt." Das war für Ben eine sehr lange Rede. Ich war froh, dass er etwas die Luft aus der Sache genommen hatte.
"Gut", sagte Lucky,
"machen wir uns auf den Weg und suchen ihn, bevor die ganze Touristenmeute anrückt."
Wir gingen noch einmal nach oben, um uns die richtigen Schuhe anzuziehen und Fotoapparate mitzunehmen. Dann machten wir uns auf den Weg. Ich ging mit Mareike voran, da ich ja als einzige genau wusste, wohin wir gehen mussten.
Obwohl es erst zehn Uhr war, als wir losgingen, schien die Sonne bereits unbarmherzig herab. Erst als wir im Wald waren und der Weg nach oben ging, wurde es etwas kühler. Mareike schnappte ständig nach Luft. Wir waren für sie zu schnell. Ihr Gewicht machte ihr ordentlich zu schaffen. Ich hakte sie unter
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