Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
überlegte, wie sich Taylors Freundin mit dem offensichtlichen Ego-Problem dieses Typen arrangierte, wandte Burns sich abermals zum Gehen. Dann aber blieb er noch mal stehen und tastete die Taschen seiner Jacke ab.
»Was habe ich bloß mit meinem Handy gemacht?«, murmelte er.
Ich entdeckte das Gerät unter einem Stapel Formulare und hielt es ihm hin. »Sie verlieren in letzter Zeit anscheinend öfter irgendwas.«
»Mehr als ich mir leisten kann.«
Ich hatte mit dem Satz einen Scherz über seine verlorenen Pfunde machen wollen, aber offenkundig einen Nerv getroffen. Weil sich Burns wieder in seinen Schreibtischsessel fallen ließ und mit einer Stimme sprach, die wie die Luft, die aus einem Loch in einem Reifen strömte, klang.
»Ich verliere schon seit Jahren immer wieder irgendwelches Zeug. Der Kardiologe hat gesagt ›Nehmen Sie ab, und hören Sie auf zu qualmen, wenn Sie älter als fünfzig werden wollen‹, und jetzt komme ich mir vor, als liefe ich im Körper eines anderen herum. Dann fing all dieser Schlamassel auf der Arbeit an, und direkt danach hat Julie mich verlassen. Sie kam einfach nicht damit zurecht.« Er atmete hörbar ein. »Sie hat das Haus behalten, und mit Glück lässt sie mich meine Kinder zweimal in der Woche sehen. Ich habe schon seit Wochen keine Nacht mehr durchgeschlafen.«
Ich war zu schockiert, um etwas zu erwidern. Nie zuvor hatte mir Burns etwas von sich erzählt. Er hielt den Kopf gesenkt, und ihm war deutlich anzusehen, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht laut zu schreien. Kein Wunder, dass er fest entschlossen war, den Job hier zu behalten. Weil es sonst anscheinend nichts mehr für ihn zu verlieren gab.
Nur dank seines Machotums richtete er sich am Ende wieder auf, polierte hektisch seine Brille und setzte sie wieder auf.
»Tut mir leid«, murmelte er. »Dort, woher ich komme, jammern Jungs nicht rum.« Er vermied, mir ins Gesicht zu sehen, während er ein paar Papiere erst zusammen- und anschließend in einen Hefter schob.
»Manchmal ist es besser zu reden, Don.«
»Unsinn.« Er sah mich mit einem schmalen Lächeln an. »Besser, man behält so Zeug für sich.«
»Genau wegen dieser Einstellung sterben die Männer bei Ihnen in Schottland so jung.«
Bisher hatte sich die Angel Bank mit Auskünften bedeckt gehalten, deshalb war ich ganz versessen darauf, endlich jemanden zu treffen, der bereit war, mit mir zu reden, und Burns hatte mir versprochen, dass ich ihn begleiten dürfte, wenn er sich mit den Geschäftspartnern von Gresham traf. Bisher hatte er mir jeden Wunsch erfüllt, und ich hatte den Eindruck, dass er sich sogar darüber freute, wenn ich mitfuhr, weil ihm die Kollegen auf der Wache deutlich zu verstehen gegeben hatten, dass er dort ein unerwünschter Fremder war. Er behandelte mich wie eine Kollegin ehrenhalber, und das war mir durchaus recht. Zum einen, weil ich mehr über die Welt der Opfer in Erfahrung bringen musste, und zum anderen, weil ich immer noch in Sorge um ihn war.
Ich verfolgte, wie er seine Schultern straffte, als er neben mir über den Parkplatz ging, und auch seine Stimme wurde ruhiger, kaum, dass er hinter dem Lenkrad seines Wagens saß.
»Ich habe die Witwe dieses Jungen aus der Gutter Lane besucht. Sie ist völlig durch den Wind. Wilcox war erst seit ein paar Monaten bei der Angel Bank. Jetzt hockt sie mit einem einjährigen Kind, einem Haufen Schulden und Blick auf die Bahngleise in einem dieser Hochhäuser in der Commercial Road.«
»Wissen Sie, was Wilcox Freitagabend gemacht hat?«
Sein obsessives Stirnrunzeln hatte sich wieder eingestellt. »Nach der Arbeit war er noch in einem Pub, dem Counting House. Aber dort war es rappelvoll, und keiner von den Angestellten konnte sagen, mit wem er dort zusammen war. Die Pathologin sagt, es sähe nicht so aus, als ob er sich gegen den Angreifer gewehrt hätte, aber Genaueres weiß sie erst nach der Obduktion.«
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten im Fall Gresham?«
»Das Ergebnis des UV -Tests des Jacketts ist da. Hinten weist es Speichelspuren auf, aber die DNA findet sich nicht in der Datei.«
Ich sah ihn von der Seite an. »Als ich Taylor letztes Mal gesehen habe, hatte er diese fixe Idee, dass Greshams Stellvertreter nicht ganz sauber ist.«
»Stephen Rayner? Machen Sie sich über den keine Gedanken. Taylor ist wie ein Hund mit einem Knochen, wenn er denkt, er wäre irgendeiner Sache auf der Spur. Aber wir haben keinerlei Beweise dafür, dass er in den Fall verwickelt
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