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Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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vor kurzem in eine betreute Wohngemeinschaft umgezogen.«
    »Dann geht’s ihr ähnlich wie Will«, platzte es aus mir heraus. Ich erwähnte ihn normalerweise nie, aber irgendwie hatte mich Piernans Offenbarung überrascht. Im Gegenzug erzählte ich von meinem manisch-depressiven Bruder, von seinen verletzten Beinen und davon, dass er erst langsam wieder lernen musste, selbständig zu gehen.
    »Wie schrecklich.« Piernan runzelte mitfühlend die Stirn. »Als hätte nicht ein Unglück gereicht.«
    Während eines Augenblicks saßen wir schweigend da und beobachteten einen Lastkahn, der sich langsam gegen die Flut unter der Hammersmith Bridge durchkämpfte. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir Piernan genauer anzusehen. Sein Hemd hatte einen breiten, altmodischen Kragen, und anscheinend war er auch seinem Frisör schon seit Jahrzehnten treu. Denn der Pony war ihm sicher auch schon ins Gesicht gefallen, als er noch ein Kind gewesen war.
    Dann erzählte er mir mehr von seiner Schwester. Sie war noch nie in Paris gewesen, doch in ein paar Wochen, an ihrem Geburtstag, wollte er mit ihr dorthin fahren. Seine Miene wurde lebhaft, als er mir von dem Hotel, das er gebucht hatte, erzählte, und von dem Spaziergang durch Montmartre, weil es ihr dort sicher gut gefiel. Anscheinend sprach er lieber über andere als über sich.
    »Sie sind also forensische Psychologin?«, fragte er.
    Widerstrebend nickte ich. »Ich habe die Zulassung, aber lieber helfe ich den Menschen, wenn sie noch am Leben sind.«
    »Dieser Beruf übt doch wahrscheinlich eine gewisse morbide Faszination auf einen aus«, stellte er mit einem unterdrückten Lachen fest. »Ich meine, wenn man all diese verdrehten Verbrecher hinter Gitter bringt.«
    »Manchmal verleidet einem dieser Job die Menschheit im Allgemeinen«, gab ich zu.
    »Ich würde wirklich gerne mehr darüber hören. Eigentlich hätte ich selbst gern Psychologie studiert, aber dann wurde es BWL . Was wahrscheinlich ein Riesenfehler war.«
    Er sah mich aus ruhigen, goldbraunen Augen an, und etwas bewegte sich in meinem Bauch, als lockere sich dort ein bisher allzu straff gespanntes Seil. Eilig stand ich auf.
    »Ich sollte langsam gehen. War schön, Ihnen noch mal über den Weg zu laufen.« Ehe er mir eine Antwort geben konnte, stürzte ich aus dem Lokal.
    Die Fahrt zurück erschien mir wie ein Kurztrip durch die Hölle. Von einer Belüftung der Waggons war nicht das Mindeste zu spüren, es wehte nicht die allerkleinste Brise, und vor allem ging mir Andrew Piernan einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte keinen Grund, vor ihm davonzulaufen, außer dass er mir eindeutig gefiel. Denn da ich nichts zu bieten hatte, wäre es einfach nicht fair, ihm irgendwelche falschen Hoffnungen zu machen. Ich lief immer noch im Leerlauf, auch wenn es mir langsam wieder besserging.
    Die U-Bahn grub sich in den Bauch der Stadt, ruckelte an der Edgware Road, der Baker Street, King’s Cross vorbei, spuckte an den Haltestellen Leute aus und saugte andere ein. Die Frau mir gegenüber sah wie eine exotische Blume aus. Sie trug ein Kleid mit einem bunten Muster, aber in der Hitze fing sie sichtlich an zu welken, und die Schminke lief über ihr Gesicht.
    Es war eine Erleichterung, als ich wieder aus der U-Bahn auf die Straße trat und mir etwas sauberere Luft entgegenschlug. Ich spürte das Vibrieren meines Handys. Sicher war es Lola, die es nicht erwarten konnte, zu erfahren, ob mein Flirtversuch gelungen war. Trotzdem ignorierte ich die Vibrationen, denn das Einzige, was ich im Augenblick noch wollte, war ein ausgedehnter Mittagsschlaf. Als ich jedoch vor meine Haustür trat, stand dort ein bekannter Wagen, und für eine Umkehr war es eindeutig zu spät.
    Meine Mutter saß an meinem Küchentisch. Ihre sorgfältig zusammengelegte Jacke lag in ihrem Schoß, und ihr Gesicht drückte Entsetzen aus. Offenkundig hatte sie die Tür mit ihrem eigenen Schlüssel aufgesperrt und dann die letzte halbe Stunde damit zugebracht, den Berg schmutziger Wäsche neben meiner Waschmaschine anzustarren. Ein Paradebeispiel für die Kommunikationsprobleme zwischen uns. Wir bemühten uns seit ein paar Monaten, uns häufiger zu sehen, aber diese Treffen liefen niemals ohne irgendwelche Fehldeutungen ab.
    Als ich sie zur Begrüßung küsste, roch ich die vertraute Mischung aus Kaffee, Eau de Toilette und mühsam unterdrücktem Zorn.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du kommen wolltest, Mum.«
    »Also bitte, Schatz. Du hast doch sicher in der letzten Zeit

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