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Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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gerade die Sonne unterging.
    »Haben Sie all diese Aufnahmen gemacht?«, erkundigte ich mich. »Sie sind wirklich wunderbar.«
    Er bedachte mich mit einem argwöhnischen Blick. »Was soll das werden? Der böse Bulle war schon hier, und deshalb taucht heute der gute Bulle auf?«
    »Ich bin Psychologin und helfe der Polizei bei ihren Ermittlungen.«
    »Sie waren schon dreimal hier. Sie wollen mich einfach nicht in Ruhe lassen.« Wütend blickte er auf Taylor, der in seinem Notizbuch las.
    »Ich will Sie nicht noch stärker unter Druck setzen, aber ich muss wissen, was der Grund für Ihre polizeiliche Verwarnung vor zehn Jahren war.«
    Eine heiße Röte stieg ihm ins Gesicht. »Das ist inzwischen fünfzehn Jahre her, lange bevor ich zur Angel Bank gegangen bin. Ich war nach der Arbeit noch in einem Pub, habe dort etwas getrunken, und jemand hat mich beleidigt.«
    »Was hat dieser Jemand denn gesagt?«
    »Er fände schwule Männer ekelhaft.« Rayner sah so wütend aus, dass ich mich fragte, ob Taylors Vermutung, dass er eine Neigung zu Gewalt hatte, womöglich richtig war. »Die Finanzwelt ist voll von Idioten, die sich gegenseitig irgendwelche Messer in die Rücken rammen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Dort ist es wie beim Fußball oder wie in der Armee – niemand ist offen schwul. Man muss mit seiner Frau und seinen wunderbaren Kindern angeben, wenn man dort weiterkommen will. Leo war der Einzige, der mich so akzeptiert hat, wie ich bin. Alle anderen geben mir ständig das Gefühl, nicht das passende Gesicht zu haben.«
    In Rayners Gesicht selbst schien nichts zu stimmen, dachte ich, als ich ihn wieder ansah. Seine Lippen bebten, und in seinen vorquellenden Augen stiegen dicke Tränen auf. Vielleicht hatte er sich in seinem Verlangen, akzeptiert zu werden, ein privates Phantasieleben mitsamt einer Verlobten ausgedacht.
    »Tut mir leid, Sie zu bedrängen, aber die Bank wehrt unsere Bitte um Informationen über ihre Angestellten ab. Können Sie uns deshalb vielleicht sagen, ob es dort jemanden gab, vor dem Leo sich gefürchtet hat?«
    »Ich glaube, nicht«, setzte er zögernd an. »Außer natürlich vor unserem Boss. Selbst Leo hat immer versucht, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.«
    »Max Kingsmith?« Ich erinnerte mich an den eleganten grauhaarigen Mann, der im Albion Club den anderen Gästen um den Bart gegangen war.
    Er nickte. »Selbst die Vorstände sind vor ihm auf der Hut. Weil er total ausrasten kann. Leo war einer der wenigen, die gut mit ihm zurechtgekommen sind.«
    »Ich kann verstehen, dass Leo Ihnen fehlt«, erklärte ich. »Abgesehen von seiner Frau, hat er kaum jemandem so vertraut wie Ihnen. Fällt Ihnen vielleicht noch irgendjemand ein, der der Polizei möglicherweise weiterhelfen kann?«
    Er verzog unglücklich das Gesicht, und mir kam es so vor, als ob er mir aus Angst oder aus Vorsicht irgendwas verschwieg. Schon seit unserer Ankunft war er furchtbar angespannt, und es war ein harter Kampf für ihn, mir weiter ins Gesicht zu sehen. Auch die langen Pausen zwischen seinen Sätzen überzeugten mich davon, dass er seinen ganzen Mut zusammennehmen müsste, ehe er mir sagen könnte, was ihm auf der Seele lag. Ich blickte wieder auf die Fotos an der Wand – die teilweise in den diversen Parks der näheren Umgebung aufgenommen worden waren. Er hatte jedes noch so winzige Detail mit seinen Bildern eingefangen. Blumen, Statuen, alte Männer, die auf Bänken schliefen, selbst den Müll, der auf dem Rasen lag. Doch am meisten interessierten mich die zahlreichen Porträts. Oft drückten die Gesichter Ärger oder Überraschung aus, als hätte er die Bilder ohne die Genehmigung der Aufgenommenen gemacht. Rayners Voyeurismus interessierte mich, auch wenn seine Persönlichkeit mir viel zu passiv für einen Gewalttäter erschien. Ich wandte mich ihm wieder zu und merkte, dass er sich mühsam zusammenriss.
    »Es gibt da einen Mann, zu dem Sie gehen sollten«, meinte er. »Lawrence Fairfield weiß wahrscheinlich alles, was es über unsere Bank zu wissen gibt. Deshalb haben sie sich ihn auch irgendwann vom Hals geschafft.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Steve Taylor sich den Namen aufschrieb. Doch obwohl ich darauf wartete, dass er noch etwas sagte, brachte er vor lauter Kummer kein Wort mehr heraus.
    Auf dem Weg nach draußen fielen mir die Nikon und die sorgsam aufgereihten Linsen auf dem Flurtisch auf. Vielleicht träumte Rayner ja davon, der Bank auf Dauer zu entfliehen und als Fotograf zum

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