Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
paar Straßen von mir entfernt gelebt. Ich hatte den Eindruck, als hätte sie die Party mit Vergnügen sausenlassen, um mit mir irgendwohin zu gehen, wo man sich besser unterhalten konnte. Nur dass das natürlich völlig ausgeschlossen war.
»Haben Sie Kinder?« Sophie blickte mich aus ihren braunen Augen an.
»Noch nicht. Aber vielleicht eines Tages.« Ich war kurzfristig versucht, ihr zu gestehen, dass eine Weitergabe meiner unglücklichen Gene nicht gerade mein Hauptanliegen war, doch als ich sie wieder ansah, wirkte sie, als bräche sie im nächsten Augenblick in Tränen aus, und als sie weitersprach, nahm ich das Zittern ihrer Unterlippe wahr.
»Sie sollten Kinder haben. Ganz egal, wie schrecklich alles ist. Sie alleine sorgen dafür, dass sich alles lohnt.«
Sie beugte sich vor, um ihre kleine Tochter wieder auf den Arm zu nehmen, aber diese Sätze hatten mir verraten, dass es schlecht um ihre Ehe stand, und am liebsten hätte ich dem widerlichen Kingsmith eine Ohrfeige verpasst. Obwohl die nichts geändert hätte. Denn Narzissten änderten sich nicht. Ganz egal, was auch geschah, waren sie stets der festen Überzeugung, dass die Welt nur existierte, um ihre ureigenen Wünsche zu erfüllen.
Ich bemerkte eine Reihe Landkarten, die wie Fotos in der Dunkelkammer an einem Metalldraht in der Ecke baumelten. Darauf war eine Reihe kleiner gelber Inseln in einer türkisfarbenen Wasserfläche verstreut.
»Sind das die Seychellen?«, fragte ich.
»Die Malediven«, klärte sie mich auf. »Wir waren auf unserer Hochzeitsreise dort. Es war einfach unglaublich. Wir sind von Insel zu Insel gesegelt und haben die übrige Zeit faul in der Sonne gelegen und niemanden gesehen.« Ihr Gesicht entspannte sich, und endlich sah sie mich wieder mit einem Lächeln an.
»War Max vorher schon mal verheiratet?«
»Zweimal. Er sagt, aller guten Dinge wären schließlich drei.« Noch immer starrte sie die Karten an. »Wir waren dort täglich stundenlang im Meer. Ich versuche immer noch, schwimmen zu gehen, wenn sich meine Mum um Molly kümmern kann. Aber ehrlich gesagt, gehe ich kaum noch aus dem Haus, seit das alles angefangen hat.«
»Wenigstens lebt Ihre Mutter offenbar in Ihrer Nähe.«
»Näher geht’s nicht«, antwortete sie und nickte in Richtung einer großen grauhaarigen Frau, die sich höflich mit den Männern vor dem Tisch mit den Getränken unterhielt. »Sie wohnt vorübergehend hier.«
»Es ist sicher gut, wenn man Unterstützung hat«, bemerkte ich.
»Ohne sie würde ich untergehen. Ich wünschte nur, Max könnte öfter hier sein. Er hat einfach unglaublich lange Arbeitstage. Ich versuche immer, ihn dazu zu bringen, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, aber das ist aussichtslos.«
Ich wühlte in meiner Tasche nach meiner Visitenkarte, auf der neben meiner Telefonnummer auch meine Adresse stand. »Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie mal einen Kaffee trinken wollen.«
»Wir könnten auch in eine Kneipe gehen.« Sophies Miene hellte sich bei diesen Worten auf, als hätte sie zum letzten Mal vor Jahren einen draufgemacht. Sie studierte meine Karte eingehend und schob sie dann in eine Tasche ihres Kleids.
Gerade als ich losgehen wollte, um zu sehen, was Andrew trieb, kam Sophies Mutter durch den Raum. Sie stellte sich mir als Louise vor, und mir fiel auf, dass sie genauso breitschultrig und grobknochig wie ihre Tochter war. Sie streckte ihre Arme nach der Enkeltochter aus und meinte in besorgtem Ton: »Die Leute haben schon nach dir gefragt, Liebling.«
Es schien Sophie zu widerstreben, ihre Tochter abzugeben, aber schließlich lief sie los. Ihre Mutter trug ein grünes Leinenkleid und als einzigen Schmuck ein kleines goldenes Kruzifix. Trotz ihrer vielleicht sechzig Jahre hatte sie noch einen kerzengeraden Rücken und wirkte so gesund und fit, als hätte sie den Großteil ihres Lebens draußen zugebracht.
»Möchten Sie vielleicht den Garten sehen?«, fragte sie.
»Ein bisschen frische Luft wäre bestimmt nicht schlecht.«
»Könnten Sie kurz Molly halten, während ich die Tür aufmache?«
Die Kleine lag entspannt und warm in meiner Armbeuge, und ihre dunklen Wimpern flatterten, als wäre sie mitten in einem Traum. Ich hielt den Atem an, als ich sie über den Rasen bis zu einer Bank trug.
»Ich bin all dieses Treiben einfach nicht gewohnt«, meinte Louise. »Ich war frisch pensioniert und gerade nach Cornwall umgezogen, als Molly auf die Welt gekommen ist.«
»Das Meer muss Ihnen fehlen.«
Sie nickte
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