Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
zuteilgeworden war. Denn das Zimmer einer Nonne sah wahrscheinlich ähnlich aus.
Abermals gab ich Burns’ Nummer in mein Handy ein, doch statt des Inspektors war Steve Taylor am Apparat.
»Burns hat gesagt, er würde mir die Akte Poppy Beckwith zur Verfügung stellen«, sagte ich.
»Ja sicher«, meinte er mit einer quengeligen Stimme, die mir sofort auf die Nerven ging. »Schließlich haben wir mit einem dreifachen Mord noch nicht genug zu tun.«
»Ich brauche sie bis Montag.«
Er knurrte etwas, was ich nicht verstand, und legte auf.
Voll neuerlichen Mitleids dachte ich an Burns. Während er sich bei der Suche nach dem Mörder völlig aufrieb, trieb der blöde Taylor eifrig seine eigene Karriere voran.
Zu Hause wärmte ich mir einen Teller Tiefkühl-Hühnchen-Curry in der Mikrowelle auf. Die Mahlzeit war bereits nach sechs Minuten fertig, und obwohl sie nur nach Zucker, Salz und einer ganzen Reihe Konservierungsstoffe schmeckte, trieb der Hunger sie mir rein.
Als ich mich danach aufs Sofa legen wollte, fiel mir meine Aktentasche ein, ich zwang mich noch mal aufzustehen und kippte den gesamten Inhalt einfach auf dem Boden aus. Die meisten Briefe – Einladungen zu diversen Konferenzen, Werbeflyer irgendwelcher Fachjournale und den dicken Stapel Rundschreiben verschiedener Pharmaunternehmen – konnte ich sofort entsorgen, einen Umschlag mit Adressaufkleber, aber ohne Absender, jedoch machte ich neugierig auf. Dabei fiel mir eine Karte in den Schoß, und ich starrte sie mit großen Augen an. Irgendwas war an dem Bild verkehrt. Das Gesicht des Engels war perfekt, und er betrachtete mich ruhig, als wäre er der Schiedsrichter bei dem makabren Spiel, in das ich gegen meinen Willen hineingezogen worden war. Ich sah noch mal genauer hin und merkte, dass es einen Grund für die Leere seines Blickes gab. Jemand hatte das Gesicht mit einer Nadel attackiert, weswegen dort, wo Augen hätten sein sollen, nur Löcher waren.
»Du Schwein«, murmelte ich.
Der Mörder kannte meinen Arbeitsplatz und hatte mir dasselbe Bild wie das aus Greshams Jackentasche zugeschickt. Die Botschaft war eindeutig – er wusste genau, wo ich zu finden war.
Die Panik drehte mir den Magen um, und ich brauchte meine ganze Selbstbeherrschung, um nicht laut zu schreien.
Als Andrew anrief, saß ich immer noch inmitten all der Werbebriefe auf dem Boden vor der Couch.
»Na, wie war dein Tag?«
Ich antwortete nicht. Im ersten Augenblick erwog ich, ihm zu sagen, dass ich mir Gedanken über Psychopathen und zerstörte Engel machte, doch dann hätte er mich sicher für verrückt erklärt.
Ich hörte durch die Leitung, wie er schluckte.
»Ich habe eine Grenze überschritten, richtig?«, fragte er.
»Ganz und gar nicht. Denn ich habe selbst gerade dran gedacht, dich anzurufen.«
»Gott sei Dank.« Er lachte erleichtert auf. »Ich dachte schon, ich hätte meine Chancen bei dir endgültig verspielt.«
Wir verabredeten uns für Sonntag, flirteten ein wenig, und ich spürte, wie die Anspannung aus meinen Schultern wich. Ich legte wieder auf, ging in die Küche, schenkte eine Viertelflasche Rotwein in ein Glas und blickte aus dem Fenster zu dem Bus von meinem Bruder. Mit den dicken Rostflecken, die auf der Kühlerhaube blühten, erschien er mir schäbiger denn je. Die Vorhänge waren geschlossen, aber durch den Stoff hindurch sah ich das Blitzen einer Taschenlampe, das verriet, dass irgendjemand etwas in dem Bus zu suchen schien. Ich versuchte, mir zu sagen, dass kein Grund zur Angst bestand. Sicher hatten irgendwelche Kids oder ein Penner, der nach einer Schlafstatt suchte, diese alte Kiste aufgebrochen, aber deswegen die Polizei zu rufen, hätte keinen Sinn. Weil schließlich fast die ganze Truppe auf der Suche nach dem Angel Killer in der City Streife lief.
Ich verriegelte die Wohnungstür, machte Licht und kämpfte gegen die erneute Panik an. Die Scheinwerfer vorbeifahrender Wagen warfen gelben Flecken auf die Wand des Wohnzimmers, und eingelullt von diesem monotonen Muster schlief ich irgendwann, noch vollständig bekleidet, auf dem Sofa ein.
24
Am nächsten Morgen wurde ich von Lorraine Brotherton geweckt. Sie erklärte mir in ihrer strengsten Stimme, dass der Killer es ausschließlich auf Personen abgesehen hätte, die auf irgendeine Weise mit der Angel Bank verbunden waren. Ich rieb mir die Augen, doch die DSI war nirgendwo zu sehen. Ihre Stimme kam aus meinem Radiowecker und klang eindringlicher als jemals zuvor.
»Trotzdem ist es
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