Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
Vom Netzwerk:
neurotische Idiotin vor ihm dastehen, die sich fürchtete, wenn sie im Dunkeln ein Geräusch vernahm. Das erinnerte mich an die Wochen nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, als ich bei jedem Laut zusammengefahren war. So dürfte es nie wieder werden. Deshalb holte ich mir ein Glas Wasser und zwang mich, ins Bett zu gehen.

23
    Hari suchte mich am Freitagnachmittag in der Kantine auf. Ich war aus meinem Büro geflüchtet, um mir einen Eistee zu besorgen, doch selbst aus der Ferne konnte ich ihm ansehen, dass er keine erfreulichen Neuigkeiten für mich hatte. Die Mimik meines Vorgesetzten ist ziemlich begrenzt, und in einem Notfall wird das sanfte Lächeln, das er meistens zeigt, gegen eine Maske vollkommener Ruhe ausgetauscht. Vorsichtig nahm er mir gegenüber Platz.
    »Darren Campbell war eben bei mir«, fing er an. »Ich wollte ihn sofort einweisen, aber bevor ich dazu kam, ist er mir abgehauen. Er weist Anzeichen einer ernsten Psychose auf.«
    »Wie sehen die aus?«
    »Er zeigt deutliche Symptome von Schizophrenie – Wahnvorstellungen, akustische Halluzinationen sowie eine ausgeprägte Paranoia.«
    »Na toll«, murmelte ich. »Und ich bin diejenige, die er verfolgt.«
    Er sah mich nachdenklich an. »Für eine abschließende Diagnose und die medikamentöse Einstellung brauchen wir ihn hier im Krankenhaus. Am besten gebe ich seiner Bewährungshelferin Bescheid.«
    Hari wandte sich wieder zum Gehen, und ich starrte in mein leeres Glas. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich in der Lage war, wieder in mein Büro zurückzukehren und die Akte meines nächsten Patienten durchzugehen. Aber dann beschloss ich einfach, keine Angst zu haben. Diesen Trick hatte ich während meiner Zeit im Krankenhaus gelernt. Jedes Mal, wenn eine Angstwelle in meinem Innern aufgestiegen war, hatte ich mich gezwungen, sie zu ignorieren. Natürlich wusste ich berufsbedingt um die Gefahren der Verdrängung, doch zumindest hatte ich auf diesem Weg die Kontrolle über mich zurückerlangt. Nur indem ich mich standhaft geweigert hatte, meinen Ängsten nachzugeben, hatte ich den Weg zurück in die Normalität geschafft.
    Ich musste an Poppy Beckwith denken, als am Nachmittag eine Patientin über ihre Sexsucht sprach. Dabei sah sie Poppy nicht mal ansatzweise ähnlich – sie war deutlich älter, fettleibig, hatte ungekämmtes Haar und ein ängstliches, vom Nikotin verfärbtes Lächeln aufgesetzt. Sex war nur eine ihrer Süchte neben Alkohol und Cannabis, doch sie machte ihr die größte Angst. Denn sie zwang sie, nachts allein durch irgendwelche Bars zu ziehen und mit den Männern ihrer Freundinnen ins Bett zu gehen. Jeder Mann, dem sie begegnete, war eine mögliche Eroberung, obwohl der Sex sie nie befriedigte, sondern ihren Ekel vor sich selbst noch steigerte. Ich fragte mich, wie Frauen wie Poppy mit dem Stress zurechtkamen, den es für sie bedeutete, die Begierden anderer mit ihren Körpern zu bedienen. Sicher griffen viele Sexarbeiterinnen nicht umsonst zu Drogen oder Alkohol. Wenn ich wöchentlich mit Dutzenden von Freiern in die Kiste steigen müsste, wäre Johnnie Walker sicher ebenfalls mein bester Freund.
    Noch während des gesamten Nachmittags schwirrten mir gefallene Engel durch den Kopf. War es nicht seltsam, dass Poppy in einer Straße lebte, die den Namen des Erzengels trug, der auf Lawrence Fairfields Abschiedsgrußkarte zu sehen war?
    Um fünf Uhr machte ich mich auf den Weg. Mein Verteilerfach quoll über, also schnappte ich mir meinen Stapel Briefe, stopfte sie in meine Aktentasche und versuchte, Burns auf seinem Handy zu erreichen, das jedoch vorübergehend ausgeschaltet war. Also würde ich nach Knightsbridge fahren, ohne dass er etwas davon wüsste. Denn auch wenn er mir wahrscheinlich die Leviten lesen würde, wenn ich einfach eigenmächtig noch einmal mit Poppy spräche, riefe ich ganz sicher nicht bei Taylor an, um mir seine Erlaubnis einzuholen. Noch eine Dosis des verbalen Machotums von diesem Typen hielte ich einfach nicht aus.
    Ich war immer noch der Überzeugung, dass der Täter persönliche Gründe dafür hatte, Personal der Angel Bank aus dem Verkehr zu ziehen. Vielleicht hatte sich ja Gresham Poppy anvertraut, und vielleicht könnte ich wiederum sie dazu bewegen, mir zu trauen. Denn es war schließlich nicht ausgeschlossen, dass der Killer einer ihrer Kunden war.
    Ich entschied mich gegen eine U-Bahn-Fahrt. Denn zwar wirbelte das uralte Belüftungssystem die kochend heiße Luft in den Schächten und Waggons etwas

Weitere Kostenlose Bücher