Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
herum, kühlte sie dabei aber nicht im Geringsten ab.
Gemächlich zockelte mein Bus an den Houses of Parliament vorbei. Statt irgendwelcher Macher liefen dort allerdings nur ein paar Jugendliche hin und her, die irgendwas auf Italienisch schrien. Durch Belgravia streiften Gruppen alter Damen, um die Sonderangebotstische bei Fortnum and Mason durchzuwühlen und dann stolz mit Tüten voller Schnäppchen wieder heimzuziehen.
In der Tür von Poppy Beckwith’ Haus kam mir ein Mann entgegen, der mir irgendwie bekannt vorkam. Höflich lächelnd hielt er mir die Tür auf, aber erst auf halbem Weg durchs Treppenhaus wurde mir klar, wo er mir schon mal begegnet war. Er war einer der Moderatoren der Lieblingsabenteuersportsendung von Will und hatte dieses nette Lächeln sogar dann noch im Gesicht, wenn er kopfüber in irgendeinem Doppeldecker hing oder in einem Rennwagen über die Straßen von Nairobi schoss. Beckwith’ Kundenliste umfasste offenbar auch B-Promis aus Funk und Fernsehen.
Ich blieb zehn Minuten oben an der Treppe stehen, um sie ein wenig Luft holen zu lassen, klopfte dann aber entschieden bei ihr an. Die Tür wurde einen Spaltbreit aufgezogen, und ich konnte ein perfektes Auge durch die schmale Öffnung sehen.
»Was wollen Sie?« Ihre Stimme klang noch rauer als zuvor, als hätte sie schon mindestens zwei Schachteln extrastarker Gauloises gepafft.
»Fünf Minuten Ihrer Zeit, wenn das möglich ist.«
Die Tür ging wieder zu, und ich dachte, sie hätte beschlossen, mich zu ignorieren, aber dann hörte ich leises Kettenrasseln, und mir wurde aufgemacht. Beckwith’ Wohnung war so elegant wie eh und je, doch sie selbst sah vollkommen erledigt aus. Zwar war sie frisch geduscht, doch mit ihren abgeschnittenen Jeans, dem löchrigen T-Shirt, dem unordentlichen Zopf und ihrem ungeschminkten, blassen Gesicht hatte sie kaum noch Ähnlichkeit mit der verführerischen Frau, der ich beim letzten Mal begegnet war. Ihr schwergewichtiger Bewacher hatte seinen Zwinger offenbar vorübergehend verlassen dürfen, denn sonst hätte er sich zwischenzeitlich sicher längst gezeigt.
Es war nicht zu übersehen, dass Poppy spinnewütend war, und ich müsste versuchen, rauszufinden, ob die Frau in ihrem Zorn vielleicht auf einem Rachefeldzug gegen ihre eigenen Kunden war.
»Warum sind Sie hergekommen?«, schnauzte sie mich an.
Ich nahm auf der Sofakante Platz, aber sie blieb stehen und starrte mich feindselig an. Vielleicht hatte sie ja einfach was dagegen, dass ihr jemand einen Teil von ihrer knappen Freizeit stahl.
»Ich mache mir Sorgen um Sie.«
»Ach, tatsächlich?«, fauchte sie und fügte gespielt mitfühlend hinzu: »Aber ich habe Sie doch wohl nicht um Ihren wohlverdienten Schlaf gebracht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Irgendwer hat offenbar ein Hühnchen mit der Angel Bank zu rupfen. Er ermordet Leute, die dort arbeiten und die eine so enge Beziehung zu Ihnen hatten, dass es Ihnen nicht egal sein kann.«
Endlich hörte sie mir zu. Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm mir gegenüber Platz und bedeutete mir wortlos fortzufahren.
»Leo Gresham war einer Ihrer Kunden, und ich nehme an, auch Lawrence Fairfield hat Sie öfter mal besucht.«
Beckwith presste ihre Lippen aufeinander, doch zugleich huschte ein Ausdruck des Erkennens über ihr Gesicht. Sie wusste ganz genau, wer Fairfield war. Der Grund dafür lag auf der Hand. Sicher hatte Leo Gresham nach der Arbeit öfter noch etwas mit ihm getrunken und nach ein paar Brandy mit dem tollen Callgirl angegeben, zu dem er bereits seit einer Weile regelmäßig ging. Oder vielleicht waren Poppys Künste allgemein im Albion Club bekannt, und Fairfield hatte eine Reihe von Terminen mit ihr ausgemacht, bevor es wegen seines Haftantritts mit dem Luxusleben erst einmal vorbei gewesen war.
»Über meine Kunden spreche ich mit niemandem«, schnauzte mich Poppy an.
»Das habe ich auch nicht verlangt. Ich lege Ihnen nur ans Herz, sich vorzusehen, weiter nichts. Sie besorgen sich am besten eine Überwachungskamera für Ihre Tür.«
»Sie wollen mich also warnen?« Wieder blitzte sie mich zornig an. Im selben Augenblick jedoch klingelte ein Telefon im Nebenraum, und sie stand eilig wieder auf. »Ich gehe nur kurz dran, und dann sollten Sie langsam gehen.«
Sie verschwand im Flur, und ich entdeckte den Terminkalender, der auf ihrem Couchtisch lag. Ich blätterte die Seiten durch und sah für jeden Tag diverse Einträge in einer eleganten schwarzen Schrift. Währenddessen wehte
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