Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
Tangolehrer dir denn wenigstens das Tanzen beigebracht?«
Immer wieder brachte Andrew mich zum Lachen, warf dann aber völlig unvermutet irgendwelche ernsten Fragen ein, und bis wir mit dem Nachtisch fertig waren, hatte ich ihm deutlich mehr von mir enthüllt, als ich wollte.
Er nahm unsere Weinflasche, und ich folgte ihm bis zu zwei Liegenstühlen, von denen aus man Richtung Osten sah. Inzwischen war der Himmel dunkelblau, und ich konnte an der glitzernden Canary Wharf vorbei bis zu den Tilbury’schen Werften sehen.
»Und wo wohnst du?«, fragte ich.
»Nur einen Steinwurf von hier entfernt. Wenn du möchtest, kannst du dir die Wohnung gleich noch ansehen.«
»Lieber nicht.« Ich schüttelte den Kopf.
»Ist vielleicht auch besser so«, stellte er mit einem breiten Grinsen fest. »Denn ich wohne erst seit ein paar Wochen dort, und die Zimmer schreien nach einer liebevollen Hand, die sie ein bisschen gemütlich macht.«
»Dann fang am besten gleich am Montag damit an. Wo liegt die Wohnung genau?«
»Warum sollte ich dir das verraten, wenn du mich gar nicht dorthin begleiten willst?« Er lenkte seinen Blick auf meinen Mund.
»Um mich mit deiner noblen Adresse zu beeindrucken.«
Ich wandte mich ihm wieder zu, und sein Gesicht war mir so nah, dass ich die Gold- und Bernsteinsprenkel in den braunen Augen sah. Automatisch beugte ich mich vor, küsste ihn zärtlich auf den Mund, und seine Miene drückte Freude und zugleich ein leichtes Unbehagen aus.
»Du bringst mich um, Alice.«
»Tut mir leid.«
»Es gibt schlimmere Arten, das Zeitliche zu segnen«, stellte er mit einem neuerlichen Lächeln fest.
Wir unterhielten uns, bis wir die letzten Gäste waren und uns der Kellner bat zu gehen, und als wir auf die menschenleere Straße traten, zog mich Andrew kurzerhand in einen dunklen Hauseingang, und ich küsste ihn wieder.
»Du machst es mir nicht gerade leicht.« Er zog mich eng an seine Brust. »Du solltest besser gehen, wenn ich nicht mitten auf der Straße über dich herfallen soll.«
Ich war versucht, ihn doch in seine Wohnung zu begleiten, aber dafür war es einfach noch zu früh. Also winkte ich nach einem Taxi, und er wandte sich zum Gehen. Quer durch das Revier des Angel Killers, und am liebsten hätte ich ihm hinterhergerufen, vorsichtig zu sein. Doch das Taxi war schon losgefahren, und mir war so schwindlig, dass ich nicht mal hätte sagen können, ob die Richtung, die der Fahrer eingeschlagen hatte, richtig war.
27
Seinem Aussehen nach hatte Dean Simons während des ganzen Wochenendes vor dem Polizeirevier campiert. Sein graues Haar war noch zerzauster als gewöhnlich, und die roten Augen deuteten auf den Genuss zu großer Mengen Alkohols oder zu wenig Schlaf hin. Ich überlegte, ob ich ihn wegen Eindringens in meine Privatsphäre belangen sollte, aber um ihm nicht noch einmal die Gelegenheit zu einer Schmähschrift gegen mich zu geben, ignorierte ich ihn einfach und marschierte weiter Richtung Tür. Doch bevor ich sie erreichte, machte einer von den Fotografen einen Satz in meine Richtung und blendete mich mit dem Blitzlicht seiner Kamera. Durch den allgemeinen Medienrummel fühlte sich der Angel Killer sicher noch in seiner Macht bestärkt. Denn solange die Geschichten über ihn auf allen Titelseiten prangten, dachte er zu Recht, dass er die ganze Stadt in Atem hielt.
Lorraine Brotherton saß bereits hinter ihrem Schreibtisch, als ich zu unserer wöchentlichen Teambesprechung erschien. Sie schob ihre grauen Locken auseinander und bedachte mich mit einem knappen Nicken, wobei ihre Anspannung deutlich zu spüren war. Mein Blick fiel auf das Foto eines Steinhauses mit leuchtend blauen Fensterläden, das auf ihrem Schreibtisch stand.
»Das ist in den Ardennen. Dort gibt es nichts als einen Fluss, in dem man herrlich schwimmen kann, und das beste Essen der Welt.«
Mein Bild der DSI löste sich in Wohlgefallen auf. Vielleicht machte sie beim Überqueren des Kanals ja eine völlige Verwandlung durch und tauschte ihre farblosen Kostüme gegen leuchtend bunte Sommerkleider. Doch kaum tauchten die Kollegen auf, wurde sie wieder kühl und distanziert, und die Frustration und das angestaute Adrenalin der bisher erfolglosen Ermittler führten dazu, dass die Atmosphäre noch erheblich angespannter als bei unserem letzten Treffen war. Taylor war der Einzige, der lächelte, als Pete Hancock die Ergebnisse der Spurensicherung in Wormwood Scrubs beschrieb. Man hatte die DNA und die Fingerabdrücke sämtlicher
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