BLUTIGER FANG (German Edition)
„Was?“
„Gib mir die Chipkarten.“ Bronco sprang wie ein Klappmesser auf, stellte sich vor Joel und streckte ihm die offene Hand entgegen. Dann wiederholte er: „Gib mir die Karten.“
Joel sah ihn an, wobei er zu dem um fast einen Kopf größeren Bronco aufschauen musste.
Linda, die sich ebenfalls aufgerichtet hatte, schwieg.
„Wir können die Sachen immer noch holen. Ich finde, wir sollten erst …“
„Kramer: Ich sag’s nicht noch mal. Gib mir die Chipkarten, sonst nehme ich sie dir ab – und das wird weh tun.“
Joel sah in die funkelnden Augen und spürte, dass Bronco nicht zum Spaßen aufgelegt war. Er griff in seine Tasche, nahm die Chipkarten heraus und gab sie ihm.
Bronco bückte sich, hob die Waffen und den Schlüsselbund auf und wirkte zufrieden. Er prüfte die Magazine der beiden Pistolen, die schwarz und gefährlich in seinen Händen glänzten. Sorgsam steckte er die eine in die Jackentasche, die andere hinten in den Hosengürtel.
„Woher hast du die?“, sagte Joel, obwohl er es im Grunde wusste.
Bronco sah ihn an und lächelte falsch. „Vom Nikolaus.“
„Und wozu brauchst du die? Ich meine, sind … sind die geladen?“
„Die eine ja. Die andere … das sind meine Ruhestifter, für den Fall der Fälle“, sagte Bronco. Dann steckte er den Schlüsselbund ein und packte die Chipkarten in seine Jacke. An Linda gerichtet sagte er: „Geh zur Rolltreppe. Dort muss irgendwo mein Handy liegen. Such es, find es, bring es.“
Linda sah ihn unentschlossen an. Dann blickte sie hinüber zu den Rolltreppen, die weit entfernt in bedrohlicher Dunkelheit lagen. Man erkannte von hier aus nur, dass da etwas großes Dunkles den Hauptdurchgang zerteilte.
„Was ist denn? Worauf wartest du?“, sagte Bronco, wohl weil sie nicht gleich losgerannt war.
„Und was machst du?“ Sie blickte ihm in die Augen.
„Ich geh ins Büro, hol die Videobänder und den anderen Scheiß.“
Linda spähte zu den Rolltreppen. „Mir wär’s aber lieber, du gehst da rüber und holst das Telefon und ich geh ins Büro.“
„Verdammt, Linda, was hast du denn?“
Joel sah beide abwechselnd an. Gespannt wartete er auf eine Reaktion Lindas. Er sah sofort, dass sie die Hosen gestrichen voll und keinen Mumm hatte, zu den Rolltreppen zu gehen. „Ich kann ja gehen“, sagte er, weil sie noch immer nicht antwortete und Bronco ungeduldig wartete.
„Ja genau, Kramer kann doch das Handy holen“, sagte sie und atmete erleichtert aus. Offenbar war sie durch die frontale Ansprache und den Ton Broncos irritiert worden und jetzt froh, dass sich Joel nach vorn schob.
„Kommt nicht in Frage“, sagte Bronco. „Der ruft doch glatt die Bullen.“
Joel blickte zu Boden. „Mach ich nicht.“ Er sprach leise und hoffte dadurch auf mehr Vertrauenswürdigkeit. Er wollte Linda, die ihn nicht beachtete, mit ergebenem Blick in die Augen sehen, als er hinzufügte: „Versprochen.“ Dieses Versprochen hauchte er so zart wie möglich.
Linda beachtete ihn trotzdem nicht, sondern sah von den Rolltreppen weg und zu Bronco hin. „Hast du gehört? Kramer hat’s versprochen! Es wäre ja auch schön blöd, die Polizei zu holen.“
Plötzlich drückte Bronco ihr die Chipkarten und den Schlüsselbund in die Hand. „Weiber!“
„Also, alles aus dem Büro raus, was von uns ist?“ Linda lächelte erleichtert.
„Ja, oder wolltest du noch ein paar Lampen mitnehmen? – Und vergiss die Videokassetten nicht.“
Linda atmete durch. Sie war sichtlich froh, nicht zu den Rolltreppen gehen zu müssen. Wie zum Dank trat sie an Bronco heran, zwickte ihn in die Wangen und küsste ihn. „Wo treffen wir uns nachher? Und überhaupt, wohin soll ich das ganze Zeug bringen?“
„Hierher. Geh notfalls öfter.“ Bronco klang gönnerhaft und hochmütig. „Aber fang nicht an, auch noch die Tische zu putzen.“
Linda verließ Joel und Bronco in Richtung Büro.
Bronco wandte sich zu Joel, richtete sich auf wie ein Major und sagte: „Und du, Kramer, kommst mit mir.“
Gemeinsam gingen sie durch die Dunkelheit und hielten auf die Rolltreppen zu.
„Du hast nicht versucht, die Wächter zu warnen, stimmt’s? Und auch nicht, Frank zu helfen?“, sagte Joel leise.
Bronco schwieg.
Joel überspielte das Schweigen, indem er sofort weitersprach. „Hast du herausfinden können, ob Frank es war, der auf deinem
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