BLUTIGER FANG (German Edition)
solange nicht aktiviert werden kann, wie sich Menschen im Gebäude aufhalten.
Verdammt, und was sind wir? Etwa keine Menschen? Wider besseren Wissens ging er mit zügigen Schritten auf den Notausgang zu. Sein Gedächtnis hatte ihn nicht getäuscht: Der Ausgang war verschlossen. Joel wusste, dass der eigentlich allein schon der Wachleute wegen auch nachts hätte offen sein müssen. Die aber wollten das nicht, wohl, um einem Einbrecher während ihrer Schicht nicht die einfache Flucht aus dem Kaufhaus zu ermöglichen. Und da sich im Normalfall nachts keine Kunden mehr in einem Kaufhaus aufhalten, war die Verriegelung der Notausgänge via Zeitsteuerung anscheinend kein Problem.
Großer Gott, jetzt war es also ganz klar: Aus dem Restaurant war nur durch den Hauptausgang zu entkommen und der führte direkt in die Kaufabteilungen hinaus. Also dorthin, wo die Löwen überall sein konnten. Er ging zu Linda zurück.
„Wir haben keine Wahl. Lass uns Frank wenigstens hinter die Bar schaffen. Da ist er immer noch sicherer als hier, wenn sie zurückkommen.“
Darauf ließ Linda sich ein. Denn plötzlich packte sie mit an, wenn auch halbherzig und unbeholfen, als Joel Anstalten machte, Frank hochzuheben und zur Bar hinüberzuziehen.
Frank schrie auf. Linda hatte ihm offenbar, weil sie wie er auch kaum etwas sah, versehentlich an die linke Schulter gefasst.
Auch Joel hatte sich vergriffen, er langte ausgerechnet das falsche Bein an.
Sie ließen ihn sofort los. Sie probierten es noch mal, indem sie – nun aufmerksamer – an anderen Stellen zupackten. Aber auch da verursachten Franks Schmerzen einen Schrei, der ihnen verbot, ihn auch nur noch anzurühren. Sie ließen ihn wieder los und knieten bei ihm.
Was sollten sie machen?
Linda versank abermals in ihrer Lethargie, aus der sie kurz hervorgekrochen war, und senkte den Kopf.
Joel dachte nach. Er sah, dass es zwecklos war, Frank fortschaffen zu wollen, der bei der geringsten Bewegung vor Schmerzen nur so schrie. Die Schreie und das Stöhnen könnten den Löwen zudem anzeigen, wo sie gerade waren, wenn sie mit ihm den Weg durch die Kaufabteilungen wagten. Und das war gefährlich. Zu gefährlich! Außerdem war nicht klar, ob Frank auch innere Verletzungen hatte. Dann wäre jede Bewegung womöglich ein Sargnagel mehr. Zweifellos wäre es das Beste gewesen, wenn es einen Arzt gleich hier vor Ort gegeben hätte – doch den gab es nicht.
Die beiden Handys hatte Bronco. Mist! Mit einem bissigen Gefühl im Bauch wurde Joel immer deutlicher, dass sich alle strategisch wichtigen Mittel in Broncos Händen befanden.
Krampfhaft dachte er nach. Jemand musste kommen. Ja, ein Arzt musste her, Frank begutachten, versorgen und dann mit professioneller Hilfe in ein Krankenhaus schaffen. Alles andere wäre ein zu hohes Risiko und auch verantwortungslos. Frank würde den Weg ins Krankenhaus vor lauter Schmerzen gar nicht überstehen, wenn er es mit Linda fertig bringen sollte, ihn hier rauszuschaffen.
Doch: Welche Möglichkeiten gab es, jemanden hierher zu locken?
Wie ein erlösender Geistesblitz fiel Joel plötzlich die Alarmanlage ein. Ja, natürlich, die Außenhautsicherung des Kaufhauses. Das könnte eine Möglichkeit sein! Er brauchte doch nur irgendwo eine Tür aufzubrechen oder eine Scheibe einzuschlagen, dann wäre innerhalb einer Viertelstunde jemand hier.
Doch welche Tür, welche Scheibe? Hier oben im 1. Stock gab es keine. Und die Glastüren zur Freiterrasse waren nicht mit Bruchmeldern ausgestattet, das wusste er aus den Unterlagen. Die Notausgänge waren alle verschlossen und ohne Werkzeug würde er die Türen nicht aufbrechen und damit die Bruchmelder auslösen können. Er musste also hier raus und unterwegs nach Möglichkeiten suchen, jenen Teil der Alarmanlage auszulösen, der noch aktiviert war.
Doch gab es bei diesen Überlegungen zwei große Probleme: Erstens die Zeit! Es würde vermutlich um die zwanzig Minuten dauern, bis jemand hier wäre. Doch zwanzig Minuten wären für Frank eine halbe Ewigkeit.
Und zweitens das Licht! Er musste unbedingt dafür sorgen, dass es ganz schnell wieder hell würde im Restaurant, sonst wäre in ein paar Minuten womöglich jede Hilfe überflüssig.
Deshalb wurde zunehmend deutlich, dass es nur eine Chance gab: Er musste Bronco den Schlüssel und vor allem ein Handy abnehmen, dann als Erstes Licht machen und einen Arzt rufen. Alles andere würde zu nichts führen.
Freiwillig allerdings würde Bronco weder den Schlüssel
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