BLUTIGER FANG (German Edition)
lächelte. „Bleib cool. Das ist nur eine interne Aufzeichnung, das heißt, die ist nur hier zu sehen.“
„Gib mir die Kassette“, sagte Bronco, der offenbar noch immer nicht kapiert hatte, dass von den Aufnahmen keine Gefahr ausging.
Joel nahm sie heraus und gab sie Bronco, der sie jedoch nicht einsteckte, sondern auf den Tisch legte. „Dass wir ja nicht vergessen, die mitzunehmen.“
Linda erklärte ihm noch einmal das Prinzip der Außenhautsicherung, welches sie offenbar besser verstanden hatte als er. Danach beruhigte sich Bronco wieder.
Mittlerweile hatte Joel auch bei dem anderen Rekorder auf Play gedrückt. Das Bild blieb schwarz, auch wenn er vorspulte und den Inhalt prüfte. Hier lief nur ein leeres Band ab.
„Das ist gut, das ist gut“, sagte er und rieb sich die Hände. „Wenn die Infrarotsensorik der Innenkameras nicht angesprungen ist, hat bestimmt auch keiner der Melder Alarm ausgelöst! Davor hatte ich ehrlich gesagt die ganze Zeit Schiss. Denn diese Melder sind die einzigen, die gleich nach draußen Alarm auslösen. Die Videoüberwachung hingegen bringt letztlich nur was, wenn die Wachheinis hier sind.“
Linda hob ihre Augenbrauen. „Warum sind denn die Innenkameras nicht auch mit Infrarotsensorik ausgestattet, wenn doch tagsüber ständig Leute überall im Kaufhaus rumlaufen?“ Sie zupfte im Bereich ihrer Schultern den Skianzug etwas hoch und sah Joel fragend an.
„Die Kameras sind umschaltbar“, sagte Joel. „Tagsüber zeichnen sie grundsätzlich alles auf, schon um bei gewöhnlichen Ladendieben Beweismaterial zu haben. Nachts ist es aber nicht nötig, das Band leer durchlaufen zu lassen. Wozu auch? Die springen nur an, wenn sich unerlaubterweise jemand hier herumtreibt – so wie wir heute.“ Er lächelte und blickte für einen Moment zu Bronco hinüber, der ihrer Unterredung konzentriert und mit schmalen Lippen zugehört hatte.
„Und was ist mit den Wachleuten? Werden die auch aufgezeichnet?“, sagte Linda.
„Nein, die stellen die Videoüberwachung hier ab, wenn sie kommen.“
Joel war zufrieden. Er wusste Bescheid und war nicht wenig stolz, dass der Trick mit den Thermoanzügen, den Strümpfen, Tüten und Handschuhen so gut geklappt hatte. Er ging in der Freude darüber auf, der Technik ein Schnippchen geschlagen zu haben. Und es bereitete ihm Vergnügen, dass Bronco offenbar aufgeregter war als er je zugegeben hätte. Das hatte seine Ungehaltenheit über die Videokassetten gezeigt.
Joel nahm die andere Kassette aus dem Rekorder für die Innenaufzeichnung heraus und sagte: „Von mir aus können wir jetzt die Thermoanzüge ausziehen.“
Die anderen atmeten erleichtert auf.
„Endlich.“ Linda begann sofort damit, sich aus ihrem Anzug zu schälen.
Verstohlen beobachtete Joel, wie sie das Oberteil auszog und sah ihr Dekolleté im Neonlicht des Raums hell aufleuchten und glänzen. Dann kam plötzlich eine stille Trauer in ihm hoch. Denn dieser Anblick, an dem er wie magnetisch haftete, erinnerte ihn an das Leben draußen, das er bis vor wenigen Stunden noch geführt hatte. Ihm wurde bewusst, wie sehr er in ihrer Unternehmung hier aufging. So sehr, dass er sogar den Hass auf Vater und den Verlust seiner Katzen nicht mehr gefühlt hatte. Doch Lindas Anblick brachte all das ganz schnell zurück und er fühlte sich ein wenig wie an jenem Abend im Club. Ihm wurde zunehmend – und jetzt so völlig unpassend – bewusst, dass der Anblick weiblicher Reize offenbar zum Synonym für sein Scheitern im richtigen Leben geworden war. Sie waren unter der Hand sein Gleichnis geworden.
„Was ist los, Kramer?“ Bronco hatte ihm von hinten auf die Schulter getippt und starrte ihn an.
Mit einem Schlag war Joel im Hier und Jetzt. „Lasst aber die Handschuhe an“, sagte er. Bronco wäre der Letzte gewesen, dem er etwas von seinem Innenleben erzählt hätte – und erst recht nicht im glühenden Blick auf Linda.
Jetzt erst merkten sie, wie sehr sie in den Anzügen geschwitzt hatten. Linda hatte zwei Handtücher mitgebracht, mit denen sie sich abtrocknen konnten.
Dann legten sie auf Joels Geheiß die Anzüge in eine Ecke, aus der sie sie später holen wollten.
„Die Bewegungsmelder sind außer Gefecht“, sagte er. „Die Videokameras auch. Jetzt fehlt nur noch zweierlei, dann können wir loslegen.“
Er erklärte ihnen, dass sie zunächst die elektronische Artikelsicherung auszuschalten hätten. Dann müssten sie jene
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