Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
Vom Netzwerk:
herumfuhr.
    Dann ließ sie endlich ab.
    Ringer griff mit seiner rechten Hand da hin, wo sonst Mund und Nase waren: Es gab sie nicht mehr! Das Einzige, was er empfand, war ein taubes Gefühl und er betatschte zitternd eine einzige breiige, blutig-schleimige Masse dort, wo eben noch die untere Hälfte seines Gesichts gewesen war. Er versuchte, sich auf die Zähne zu beißen. Es waren auch keine Zähne mehr da. Es gab nur noch einen unbestimmbaren Fleischklumpen, in dem er Augen stecken fühlte, die wie die Hölle brannten, und darüber die noch unversehrte Stirn, auf der Schweiß in dicken Eisschichten zu stehen schien. Bildete er sich das alles nur ein? Geschah es wirklich?
    Die Löwin biss wieder zu.
    Plötzlich sah Ringer auch nichts mehr. Er spürte nur noch – hinter einem Vorhang aus Watte –, wie die Tiere ihn zerfleischten, an ihm rissen, ihn zerrten und in alle Richtungen zogen. Dann hatte er unvermittelt das Gefühl, zu schweben. Er spürte den Boden nicht mehr unter sich.
     
    Die Löwen hoben ihn hoch.
    Die Löwin, die ihn an der Hüfte gepackt hatte, fing damit an. Sie allein zerrte den schweren Mann in die Luft. Der Pascha und die andere Löwin spielten plötzlich mit. Jetzt hielten sie Ringer etwa einen Meter über dem Boden und zogen ihn in alle Richtungen. Es sah aus, als wollten sie ihn in drei Stücke teilen.
    Dann ließen sie ihn wie auf Abpfiff fallen.
     
    Das Letzte, was Ringer spürte, bevor sich die Nacht um ihn legte, war, wie er auf den Boden zurückkam. Doch es tat nicht weh. Er hatte stattdessen das Gefühl, sanft wie auf Federn zu landen. Er sah und hörte nichts mehr, hatte keine Schmerzen und fühlte sich irgendwie selig. Nie hätte er gedacht, dass das Sterben dereinst so einfach, so leicht werden könnte. Er wusste, jetzt hatte er all das hinter sich. Noch schlimmer würde es nicht kommen können.
    Ringer sah noch ein paar letzte Bilder, Bilder aus glücklicheren Tagen.
    Dann blickte er in den dunklen Schlund des Todes.
     
    Die Löwen huschten lautlos in ihre Ecke zurück, aus der sie losgestürmt waren. Sie hatten draußen etwas gehört und reagierten sofort mit Flucht. Sie lauschten gebannt und hörten Schritte auf der Rolltreppe, die so leise waren, dass ein menschliches Ohr sie kaum vernommen hätte. Doch sie hörten die Geräusche und das Flüstern von menschlichen Stimmen ganz deutlich. Und sie wurden lauter. Sie spürten, dass mit dem Näherkommen der Menschen erneute Gefahr verbunden war.
    Den Großkatzen war nicht bewusst, wie stark sie waren. Sie realisierten nur, wie wenig die Menschen, die sie angriffen, ihnen entgegenzusetzen vermochten. Selbst sie, die nie in freier Wildbahn gelebt und dort Beute geschlagen hatten, fühlten, wie lächerlich einfach ein Mensch zu überwältigen war. Und etwas von dieser Gewissheit schien jetzt in ihnen zu sein. Das nächste Mal würden sie vermutlich nicht mehr zögern, anzugreifen.
    Sie lauschten weiter durch den Restauranteingang hinaus in die Kaufabteilung.
    Die Stimmen und Bewegungsgeräusche wurden lauter.
    Ihr Unbehagen wuchs. Doch etwas von dem Respekt, den die Löwen der hohen menschlichen Gestalt gegenüber hatten, hatte Federn gelassen durch die Erfahrung mit Frank und Ringer, der nun auch in seinem Blut lag, dessen Eingeweide aus der offenen Hüftseite hervorquollen, und von denen ein widerlicher Dunst aufstieg, der siedende Hauch des Todes.
     
    Joel kam mit Bronco und Linda oben an. Sie blieben am Absatz der Rolltreppe stehen. Wo zum Teufel war der Fremde auf einmal? Joel blickte zurück und sah, dass die Leuchte über der Fahrstuhltür noch immer auf 1 stand. Er war also nicht nach unten gefahren. Und da keiner über die Rolltreppen gekommen war, musste der noch irgendwo hier oben sein, es sei denn, er wäre mit einem anderen Lift abgehauen.
    Joel gab Bronco und Linda ein Zeichen, dass sie warten sollten und machte einige Schritte in Richtung des Restaurants.
    Dort war es ganz still. Nur das gleichmäßige Surren der Kühlschränke unter der Bar und der Kühlaggregate des Bufetts im Restaurant war zu hören. Zu sehen war überhaupt nichts.
    Joel kehrte zur Rolltreppe zurück. Von dort aus war erst recht nichts zu erkennen. Es war einfach zu dunkel und hinzu kam, dass das Restaurant diagonal etwas nach rechts versetzt war.
    „Was hast du vor?“, sagte Joel zu Bronco, der sich anschickte, Richtung Restaurant zu gehen. Joel hielt ihn am Arm fest. „Wir haben keine Ahnung, was da passiert ist. Du kannst nicht einfach da

Weitere Kostenlose Bücher