BLUTIGER FANG (German Edition)
drin bleibt. Kommt er aber raus, aus irgendwelchen Gründen, dann …“
„Aus was für Gründen?“, sagte Bronco.
„Ich gehe davon aus, dass er sich in der Dunkelheit halbwegs sicher fühlt. Wenn du aber für Helligkeit sorgst, kann das schlagartig anders werden.“
„Was passiert dann?“, sagte Linda. Sie sah ihn an, als ginge die Gefahr von ihm aus.
„Nun, dann kommt er wahrscheinlich raus und sucht sich die nächste dunkle Ecke und dort bleibt er, bis er wieder vertrieben wird oder anfängt, sich so sicher zu fühlen, dass er auf Erkundung ausgeht. Das kann in zehn Minuten so weit sein, das kann aber auch drei Tage dauern – da steckt keiner drin.“
Bronco hatte auf die Uhr geschaut.
Davon angeregt schaute auch Joel auf die Uhr. Gott, es war bereits zehn nach elf.
Bronco riss sich hoch, blickte zu den Fahrstühlen hinüber und sagte in einem gespielt coolen Ton: „Ich würde deinem Vortrag ja gern weiterlauschen, Kramer. Aber schaut mal, was wir hier haben.“
Joel stand auf, und auch Linda erhob sich.
Bronco zeigte zu den Fahrstühlen, und Joel sah mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Blinkzeichen über den Lifttüren, die andeuteten, dass jemand von der Tiefgarage in die oberen Stockwerke unterwegs war.
Joel blickte auf die Uhr. Es kam ihm vor, als habe er falsch abgelesen. „23.11 Uhr. Die Wächter kommen. Und offenbar ein wenig zu spät.“
„Scheiße, scheiße, was machen wir jetzt? Was … was machen wir jetzt?“ Lindas Ton hatte etwas Hysterisches.
Joel blickte zwischen Bronco und ihr hin und her, so gut es eben ging in dieser Dunkelheit.
In der Ferne war plötzlich ein Ton zu hören, ein Klingelsignal.
Joel zuckte zusammen und sah, dass Bronco das Klingeln anscheinend erkannte. Denn automatisch griff er nach seinem Handyhalter am Gürtel.
„Mein Handy! Gottverdammt, mein Handy ist weg. Wer hat …? Ich muss es verloren haben.“
„Viel mehr als der Verbleib deines Handys interessiert mich, wer dich gerade anruft.“
Linda sah Joel an. „Du denkst …?“
„Ja, vielleicht ist Frank nur verletzt und …“
„Quatsch, wenn der Löwe ihn umgehauen hat, ist er tot“, sagte Bronco. Er sprach sehr schnell und laut. „Ich muss mein Telefon finden, sonst kann man mich identifizieren. Nein, verdammt, mich bringen keine hundert Bullen mehr in den Knast.“
„So, dein Handy“, sagte Joel und versuchte, so giftig wie möglich zu klingen. „Du willst also dein Handy? Und was ist mit Frank?“
„Der ist tot.“
„Das weißt du nicht. Und selbst wenn er es ist: Hältst du die Bullen für so doof, dass sie von ihm nicht auch auf dich schließen, wenn sie ihn finden? Wenn du ums Verrecken nicht entdeckt werden willst, hast du ein viel größeres Problem als dein beschissenes Mobiltelefon, nämlich Frank. Wenn schon, dann müssen wir auch ihn hier wegschaffen, sonst ist das Ding gelaufen.“
Bronco sah ihn widerwillig und voller Abscheu an. Seine Gesichtsmuskeln spannten sich. Er schlug sich mit der Faust gegen das rechte Bein.
„Und außerdem hat Frank die Schlüssel“, sagte Linda. „Das heißt, wenn wir hier rauswollen, ohne die Alarmanlage auszulösen, brauchen wir die Schlüssel.“
„Was soll die Scheiße? Redest du jetzt auch noch gegen mich?“, sagte Bronco.
Im Hintergrund klingelte das Handy weiter. Die Tatsache, dass es so lange klingelte, galt für Joel als Beweis, dass Frank noch lebte und versuchte, Bronco zu erreichen. Jemand anderes hätte längst aufgelegt. Frank hatte die Nummer gewählt, konnte oder wollte aber nicht mehr auflegen. Vielleicht war er zu schwach oder auch bewusstlos geworden.
Joel dachte nach. Sie hatten ein Riesenproblem, so viel war klar. Und er wusste auch, dass sie schnell entscheiden mussten, wenn sie heil aus der Sache herauskommen wollten.
Die Nachtwächter würden zuerst nach oben fahren in ihr Büro. Von dort würden sie der Zentrale Bescheid geben, dass sie angekommen wären und nun alle Bewegungsmelder deaktiviert werden könnten. Dann würden sie nach unten gehen in das Büro des technischen Pförtners, die Videoanlagen kontrollieren und anschließend ihren Rundgang antreten. Es war keine Frage, dass sie in Windeseile alles entdecken würden: Im Büro des Pförtners die Sachen, die Videokassetten auf dem Tisch – und schon hier würden sie Alarm auslösen –, dann sehr bald Frank und sicher auch Broncos
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