BLUTIGER FANG (German Edition)
Kraft aufbringen musste, denn sein Gesicht wirkte noch schmerzverzerrter.
„Gleich“, sagte Bronco.
Er zählte vollends das Geld und steckte sich die Scheine in die Hosentasche, von denen manche beim Zählen doch etwas mit Blut verschmutzt wurden. Denn in der Aufregung war der eine oder andere Schein auf den verdreckten Boden gefallen. So gut es ging, versuchte er, sie an seinem T-Shirt zu säubern.
Nachdem er die Scheine geprüft, die verschmierten abgewischt und schließlich alle in der Tasche hatte, wandte er sich Frank zu. Er kniete nieder und wollte ihm ermutigend auf die Schulter klopfen, was er aber aus Ekel sein ließ.
Frank sah zu ihm auf. In diesem Gesicht stand das Zerrbild einer entsetzlichen Pein, und in seinen Augen schimmerte die Angst vor dem nahenden Tod noch stärker als vorhin.
Bronco hatte den Eindruck, dass sich in diesen Augen, aus denen einzelne Tränen quollen und seitlich die Schläfen hinabliefen, auch der Schmerz über eine furchtbare Enttäuschung zeigte, die der Todgeweihte jetzt erleben musste. Er sah im Glanz dieser vertränten Augen die Anklage an ihn, den er doch für einen Freund gehalten hatte. Bronco schien es, als sei der Schmerz dieser Enttäuschung größer als der körperliche, größer sogar als die Angst vor dem Tod.
Noch mehr in diese Augen hineingezogen wurde er aber durch das Gefühl, dass in ihnen parallel zur Anklage auch Vergebung durchschimmerte, die schon aus lichten Geisterhöhen herüberzuwehen schien. Denn der Ausdruck von Franks Augen hatte nichts Böses, nur den trauernden Schmerz über die Enttäuschung, die ihm Bronco als Freund bereitete. Für einen Moment erschien es ihm, als würde Frank ein wenig lächeln, und das Antlitz bekam dadurch etwas Clowneskes: Der breit und hell auflachende Clown, über dessen Wangen zugleich die Tränen einer Weltverzagtheit liefen. Die Tränen entstammten dem in der Welt Verhafteten, vordergründig am Schein Teilhabenden und an diesem Leidenden. Das Lachen entstammte der Weisheit des Einsichtigen, dessen, für den aller Schein gefallen war und der bereits Trost erhielt aus einer anderen, einer vielleicht besseren Welt, die die Seele des Freundes wärmend umlohte.
Bronco musste wegsehen und raffte sich auf. Er ertrug den Anblick dieser Augen nicht mehr und wunderte sich zudem, woher ihm diese Gedanken gekommen waren. Waren sie ihm in einer Art hypnotischen Versenkung von außen eingeflößt worden? So wie jemand unter einer Tiefenhypnose anfängt, eine Sprache zu sprechen, die er oder sie nie gelernt hat?
Bronco schüttelte seinen Kopf und sah an Frank auf und ab. „Der Schlüsselbund! Wo hast du ihn?“
Frank schwieg und fixierte ihn weiter. Nur seine rechte Hand teilte Bronco mit, dass er auf dem Schlüsselbund lag.
Zur Kontrolle starrte Bronco zum Ausgang. „Gib ihn her, verdammt.“ Er versuchte, Frank umzudrehen, der ihm sehr schwer vorkam. Er packte ihn am Oberarm sowie an der Hüfte und hob ihn an.
Es gelang ihm, Frank umzudrehen, und tatsächlich war der Schlüsselbund hinten am Gurt. Bronco riss ihn ab und steckte ihn ein. Er erinnerte sich, dass die Tür zum Büro des Pförtners verschlossen war. Daher würde er den Schlüssel brauchen, wenn er die Videokassetten holen wollte, auf denen ihr Eindringen ins Kaufhaus festgehalten worden war.
Im Moment jedoch hatte er nicht den Hauch eines Plans, wie er weiterverfahren, was er als Nächstes tun sollte. Alles Mögliche ging ihm durch den Kopf. Linda und Kramer, vor allem Linda, die unten auf ihn warten und es nicht mehr aushalten würde, bis er endlich zurückkam. Dann sah er die Toten und dachte an die Löwen, die vermutlich irgendwo in der Schmuckabteilung waren.
Verdammt, ausgerechnet da!
Er ging in Windeseile viele Varianten durch. Der Blick fiel zufällig auf etwas schwarz Glänzendes, das ihm in die Augen stach. Er erkannte die Waffe des ersten Wächters, stand auf, ließ Frank halb auf der Seite liegen und ging hinüber zu dem Wachmann, der scheußlich zugerichtet in seinem Blut lag.
Bronco, der im Gehen zum Ausgang hinüberblickte, verdrehte den Kopf zunehmend und ging fast rückwärts.
Plötzlich rutschte er aus und fiel hin. Unversehens lag er neben dem Wachmann in einer Tunke aus Blut und gelbgrünlichen Eingeweidefetzen, die an seinen Wangen und Lippen klebten. Schnell und hektisch wischte er sich das widerliche Zeug aus dem Gesicht und vom Mund weg und spuckte aus, als hätte er die Einzelteile einer zerhackten Heuschrecke im
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