Blutiger Freitag
Ausgang standen. „Das ist vielleicht Ihre einzige Gelegenheit, um eine weitere Tragödie zu verhindern. Kunze vertraut ganz auf Ihr Talent. Und ich auch. Nun kommt es allein auf Sie an, ob Sie dieses Risiko ebenfalls auf sich nehmen wollen.“
Dass er ein so gewandter Politiker war, hätte Maggie ihm nicht zugetraut.
„Borgen Sie mir mal Ihre Krawatte“, sagte sie, während sie die blaue SWAT-Jacke anzog.
Wurth sah sie überrascht an, fragte aber nicht lange und löste, ohne zu zögern, seinen Schlips.
„Hat jemand Handschuhe?“, fragte sie in die Runde, und sofort wurde ihr ein Paar gereicht.
Sie zog die Handschuhe über. Sie waren zu groß, aber sie wärmten, und Maggie plante nichts, das eine besondere Fingerfertigkeit verlangte. Dann nahm sie die hellrote Krawatte von Wurth und band sie sich um das linke Handgelenk, machte einen Knoten und ließ die Enden herunterhängen.
„Wenn ich die linke Hand über meinen Kopf halte“, sagte sie zu den Männern des Sondereinsatzkommandos und demonstrierte diese Geste, „dann heißt das ,Schuss frei’.“ Alle nickten. Sie wandte sich zu Wurth um und wartete, bis er sie ansah. „Bitte sorgen Sie dafür, dass alle Polizisten da draußen dieses Signal kennen.“
Sie hatte nicht die Absicht, ihre Hand zu heben, aber sie wusste, dass alle nach dem Zeichen Ausschau halten würden. Noch wichtiger, sie würden darauf warten. Mit so vielen Leuten von unterschiedlichen Polizeieinheiten war es besser, wenn alle auf ein bestimmtes Signal warteten, statt irgendwelche schnellen Bewegungen falsch zu interpretieren und viel zu schnell zu reagieren.
Einer aus dem SWAT-Team gab die Nachricht bereits über das an seiner Schuler befestigte Funkgerät weiter. Maggie wartete aber trotzdem auf Wurths Zusicherung, dass er die Sache in die Hand nahm.
„Sie können sich darauf verlassen.“
Sie beobachtete seine Finger, als er den Reißverschluss seiner Jacke wieder aufzog, und diesmal zitterten seine Hände nicht.
„Okay“, sagte Maggie. „Dann wollen wir mal.“
32. KAPITEL
Diesmal ging Nick voraus, während Yarden zurückblieb, immer ein paar Schritte hinter ihm. Er zeigte einem Wachposten am Fuß der zweiten Rolltreppe seinen Ausweis. Polizei, Armee, Scharfschützen. Inzwischen kam niemand mehr nach oben, ohne sich ausgewiesen zu haben.
Als Nick die Stufen hochstieg – die Rolltreppen standen jetzt still –, begann er schneller zu atmen. Er wusste nicht, ob er auf das, was ihn oben erwartete, vorbereitet war. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, es gebe nichts Schlimmeres als einen Toten, der bei einem Verkehrsunfall verstümmelt wurde: abgeschälte Haut, Verbrennungen oder Quetschungen. Als Bezirkssheriff hatte Nick genug Gelegenheiten gehabt, seine eigenen Erfahrungen zu machen. Doch ihm war noch etwas Grausameres vor Augen gekommen – die blutverschmierten Leichen von zwei kleinen Jungen, die ein Serienkiller verstümmelt und dann am Ufer des Platte River hatte liegen lassen. Konnte es noch Schrecklicheres geben? Er hoffte nicht.
Er wusste, wie der Ablauf war, denn vor zwei Wochen hatte er im Rahmen seiner Ausbildung für den neuen Job ein Anti-Terror-Seminar absolviert. Dort war ihm beigebracht worden, was die verschiedenen Sicherheitsvorkehrungen leisteten. Natürlich diente das Ganze nur dazu, die Klienten zum ständigen Aufrüsten ihrer Anlagen zu überreden. Vor zwei Wochen hatte Nick gedacht, in dem Seminar würde lediglich Panik verbreitet. Diese „Was wäre, wenn“-Szenarien schienen ihm ein bisschen übertrieben. Jetzt wurde ihm klar, wie sehr er sich getäuscht hatte.
Aufgrund dieses Seminars hatte er diese Informationen immer noch genau im Kopf. Deshalb kannte er die Prozedur. In Gedanken versuchte er sich auf das einzustellen, was nun folgen würde. Die Rettungsmannschaften kamen als Erste: die Verletzten versorgen, Feuer löschen, das Gebäude sichern. Die Verwundeten waren inzwischen wahrscheinlich schon im Erdgeschoss, gegenüber in der Erste-Hilfe-Zone im Hotel oder auf dem Weg ins Krankenhaus.
Als Nächstes kamen die Aufräumungsarbeiten, im Zuge derer Beweismittel und Spuren für die Untersuchung gesammelt wurden. Wer jetzt von den Verwundeten noch dort oben anzutreffen war, würde es nicht mehr eilig haben. Jedenfalls nicht in diesem Leben. Maggie hatte einmal zu Nick gesagt, dass die Opfer selbst noch im Tod die größte Hoffnung der Untersuchungsbeamten waren. Denn häufig lieferten sie direkte Hinweise auf die Täter.
Kurz bevor er an
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