Blutiger Freitag
Natürlich war er nervös. Das hätte sie nicht beeinflussen sollen, aber trotzdem wurde sie nun auch unruhig. Ihr Herz raste bereits von dem eigentlichen Adrenalinschub.
„Weshalb denken sie, dass es sich um einen der Bombenattentäter handelt?“
„Angeblich ist er im hinteren Teil des Gebäudes herumgeschlichen.“
Sie hob die Augenbrauen.
„Und der Rucksack“, fügte Wurth schnell dazu. „Er hat einen roten Rucksack.“
Maggie sah zu den anderen drei Männern am Ausgang. Sie bereiteten sich ebenfalls vor. Schweigend. Niemand sagte etwas. Man hörte nur das Zuschnappen und Klicken von Verschlüssen. Spezialeinsatzkommando. Kühl und ruhig. So erschienen sie jedenfalls. Es war kalt hier, von irgendwoher kam ein eisiger Luftzug, und trotzdem konnte sie ihren Schweiß riechen.
Maggie warf einen Blick durch die Tür nach draußen. Kunze war nirgendwo zu entdecken.
„Er wird die Aktion von da draußen starten“, sagte Wurth weiter. Jetzt konnte Maggie kleine Schweißperlen auf seiner Oberlippe erkennen. „Wir haben ein ziemliches Problem.“
„Ich bin Profilerin, keine Vermittlerin. Was genau erwarten Sie von mir?“
Am Telefon hatte Kunze in bester Westernmanier verkündet: „Jetzt geht es los!“ Dann hatte er hinzugefügt: „Der Sicherheitsdienst sagt, sie hätten einen von ihnen lebend. Also bitte, Agent O’Dell. Finden Sie heraus, ob die mit ihrer Annahme richtigliegen oder nicht.“
Es klang wie ein Witz, eine Stichelei, aber Kunze meinte es ernst.
Von Maggie hatte man bereits Dinge erwartet, die noch merkwürdiger gewesen waren. Allerdings waren diese Befehle nicht von ihrem Abteilungsleiter gekommen. Cunningham hätte sie nie dermaßen vorgeführt.
„Was genau soll ich nun tun?“, wollte sie erneut wissen.
„Sie haben ihn eingekesselt. Vielleicht ist er lediglich ein Junge mit einem roten Rucksack. Dem durch die ganze Aufregung das Herz in die Hose gerutscht ist. Aber wenn er einer der Bombenattentäter sein sollte ... können wir kein Risiko eingehen. Diese Typen ...“ Wurth wedelte mit der Hand in Richtung des Sondereinsatzkommandos, als würde er Maggie die Männer nur gerade vorstellen. „Sie können ihn nicht wegblasen, wenn die Gefahr besteht, dass der Rucksack in die Luft geht. Die Cops können sich ihm auch nicht nähern. Aus dem gleichen Grund.“
Das war alles. Ende der Erklärung.
Wurth schob sich eine Baseballkappe auf den Kopf und zog sich umständlich eine blaue Jacke mit dem Schriftzug „SWAT“ über. Bei ihm sah es aus, als sei die kugelsichere Weste eine Zwangsjacke. Er benötigte mehrere Anläufe, bevor er mit der nach hinten gestreckten Hand das Ärmelloch fand.
Einer aus dem SWAT-Team reichte Maggie eine blaue Jacke.
„Und ich?“, musste sie bei Wurth jetzt noch einmal nachhaken.
Offensichtlich meinte er, er habe bereits alles ausreichend erklärt, was es zu erklären gab. Er sah zu ihr hoch, während er mit dem Reißverschluss kämpfte, weil seine Finger ihm wohl immer noch nicht gehorchen wollten.
„Sie können uns sagen, ob er zu dem Profil der anderen Bombenattentäter passt.“
Er sagte das, als wäre es eine Feststellung. Maggie hätte am liebsten aufgelacht. Das war einfach verrückt.
„Und wenn ich das nicht kann?“
Er hielt inne. Die Leute des Sondereinsatzkommandos horchten auf. Der Blick, mit dem Wurth sie bedachte, sagte Maggie sofort, dass er diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen hatte.
„Ich weiß, dass Sie wahrscheinlich ein bisschen nervös sind, Agent O’Dell“, begann Wurth ruhig und langsam und klang wie ein Vater, der mit seinem Kind redete. Plötzlich war sie „Agent O’Dell“, nachdem er sie auf dem Flug hierher immer Maggie genannt hatte.
„Ich bin nicht nervös.“ Ihr Magen sagte zwar etwas anderes, doch sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, diese Zeichen zu ignorieren. Das war nicht das Problem. Sie konnte sich konzentrieren. Sie vertraute ihrem Instinkt. Auch unter Stress konnte sie reagieren und handeln. Aber das hier war lächerlich, und sie musste das Wurth klarmachen. Hatte er sich jemals mit diesen miesen Schwarz-Weiß-Videos von den Überwachungskameras beschäftigt? „So funktioniert das Profiling nicht.“
„Hören Sie, Agent O’Dell.“ Jetzt nahm er ihren Arm und lehnte sich zu ihr vor, so weit, dass sie seinen Pfefferminzatem riechen konnte. Offenbar wollte er verhindern, dass die Sondereinsatztruppe hörte, was er ihr im Vertrauen sagte, obwohl sie alle dicht gedrängt am
Weitere Kostenlose Bücher