Blutiger Freitag
Namen erschienen unter dem jeweiligen Bild und auf der Textleiste für Hörgeschädigte im unteren Rand noch einmal.
Chris wandte sich um und stellte den Ton an.
„... zuletzt gesehen wurden. Aus ungenannten Quellen wurde bestätigt, dass die drei Männer an dem Bombenattentat auf die Mall of America beteiligt gewesen sein sollen. Es handelt sich um zwei Studenten der University of Minnesota, Chad Hendricks und Tyler Bennet, sowie um Patrick Murphy, der an der University of New Haven eingeschrieben ist.“
„Verdammter Scheiß!“, meldete sich Ceimo als Erster zu Wort. „Welche ungenannten Quellen denn? Wo, zum Teufel, haben sie die Fotos und Namen her?“ Er zog sein Smartphone aus der Jackentasche, sprang auf und lief in Richtung Ausgang. Nick konnte gerade noch rechtzeitig aufspringen und ihm Platz machen.
Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, warf Nick einen Blick in die Runde. Yarden und Jamie starrten immer noch wie gebannt auf den Bildschirm. Maggie war inzwischen total weiß im Gesicht und kramte ebenfalls nach ihrem Handy.
„Was ist los?“, wollte Nick wissen. Maggie sah aus, als wäre ihr ein Geist begegnet.
„Patrick Murphy.“
Nick bemerkte, dass ihre Finger leicht zitterten, während sie auf ein paar Tasten ihres Mobiltelefons tippte. Sie suchte nach einer Nummer.
Maggie blickte kurz zu ihm hoch. Er sah einen Anflug von Panik in ihrem Gesicht, bevor sie wieder nach unten sah.
Ohne den Kopf zu heben, sagte sie: „Patrick Murphy ist mein Halbbruder.“
45. KAPITEL
Es war, als würde plötzlich die Decke über ihr einstürzen. Maggie erhob sich taumelnd und murmelte mühsam eine Entschuldigung. Sie musste hier raus. Sofort. Weg von diesem Lärm und den vielen Leuten. Weg von Nick Morrellis besorgtem Blick.
Hastig stieß sie die Tür zur Toilette auf, doch die Warteschlange vor den Kabinen war endlos lang. Zumindest war es hier etwas ruhiger.
Maggie zog sich in eine Ecke zurück und suchte auf ihrem Handy fieberhaft die Nummer von Patrick. Vor einer Woche, höchstens zehn Tagen, hatte sie ihn das letzte Mal angerufen – um ihn zu Thanksgiving einzuladen. Doch Patrick hatte bereits andere Pläne gehabt. Ein Ausflug mit Freunden, mit denen er die Feiertage außerhalb zusammen verbringen wollte. Sie hatte so getan, als würde es ihr nichts weiter ausmachen.
Aber in Wahrheit machte sich Maggie schreckliche Vorwürfe. Sie war schließlich die Erwachsene, zwölf Jahre älter als Patrick. Trotzdem wusste sie nicht, wie sie sich in der Rolle der Älteren verhalten sollte. Wie man ein Familienleben organisierte, die Entscheidungen fällte. Sie hatte keine Ahnung, wie eine große Schwester sich verhielt. Meine Güte, sie hatte überhaupt keine Erfahrung mit trautem Familienleben.
Während sie nach seiner Nummer suchte, fragte sie sich, warum sie sie nicht im Kopf behalten hatte. Dabei konnte sie sich sonst Zahlen und Fakten doch so gut merken. Auch beim Auswerten der Videoaufnahmen hätte sie sich eigentlich keine Notizen machen müssen. Aber jetzt war plötzlich alles anders. Denn jetzt ging es um Patrick.
Als sie vor zwei Jahren von seiner Existenz erfahren hatte, war Maggies gesamte Welt ins Wanken geraten. Nicht nur, weil sie auf einmal einen Bruder besaß. Auch das Bild von ihrem Vater hatte sich mit einem Schlag geändert. Der Mann, den sie liebte, vermisste, hatte tatsächlich noch eine unbekannte Seite besessen. Und das galt auch für ihre Mutter. Denn die hatte zwanzig Jahre lang dieses Geheimnis für sich behalten.
Immer wenn Maggie Patrick sah oder mit ihm sprach, musste sie daran denken. Es war verrückt. Warum fiel es ihr nur so schwer, damit klarzukommen? Warum blockte sie innerlich so sehr ab? Nicht einmal seine Nummer konnte sie sich merken. Das war doch ganz bestimmt kein Zufall. Aber vielleicht würde sie ja unter „gewählte Rufnummern“ einen Hinweis finden.
Vor lauter Nervosität tippte Maggie immer wieder auf die falschen Tasten. Sie musste sich zusammenreißen, sich konzentrieren. Auch wenn die Toilettenspülung im Hintergrund ständig rauschte und ein kleines Mädchen wie am Spieß schrie, weil es allein in die Kabine gehen wollte. Sogar über die Trennwände hinweg hörte man Unterhaltungen. Die Frauen telefonierten. Konnten sie nicht aufs Klo gehen, ohne über ihren Tagesablauf Bericht zu erstatten? Aber heute Abend waren alle wegen der Bombenexplosionen besonders aufgeregt.
Schließlich fand Maggie die Nummer. Sie tippte auf die Wahlwiederholungstaste, blickte
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