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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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erst nächstes Jahr – wenn wir verheiratet sind!«
    »Vater«, wandte sich Anna Elisabeth an den Hausherrn, »für ein paar Heller könnte man den Kindern so viel Freude machen– ich bitte dich, mir schon jetzt einen winzigen Anteil von dem Reichtum zu überlassen. Sag ja!«
    Der Michel machte runde Augen. Er verstand kein Wort. »Reichtum?«, murmelte er ehrfürchtig. »Du hast ... Reichtum?«
    »Ach was!« Der Alte polterte los. »Mach dich an deine Arbeit, Lausebengel, bevor ich dir das Fell gerbe! Hinaus mit dir. Dein Essen kriegst du erst, wenn alles Holz gehackt ist.«
    »Aber ... ich bin ja fertig ...«, stotterte der Michel.
    Anna Elisabeth warf einen Blick auf den leeren Breitopf und reichte dem Jungen dann ihre Schüssel. »Setz dich her«, bestimmte sie, »kriegst ein Stück Brot zum Brei.« Sie musterte Johannes Rebmann mit einem zutiefst missbilligenden Blick. »Und du, Hannes, vergiss eines nicht: Dein ist, was mein ist – aber erst, wenn wir ein Paar sind!«
    Das wirkte. Hannes machte ein betretenes Gesicht. »Hast Recht, Annelies«, murmelte er schuldbewusst. »Verzeih ...« »Sechs Heller«, knurrte der Vater. »Mehr nicht!«

E RNTEFEST
    M ilchig weißer Dunst lag über dem Tal; der Nebel, der aus den feuchten Wiesen aufgestiegen war, verhüllte die Konturen des Dorfes beinahe vollständig. Hinter den Bergen, die das Dorf umgaben, da, wo die Sonne in violetter Dämmerung versunken war, erhoben sich rosig behauchte Wolkenbänke, und hoch darüber, im schon nachtfarbenen Blau, stand strahlend der Abendstern.
    Der Stein des Fenstersitzes, auf dem sich Albrecht niedergelassen hatte, war eiskalt. Auch die Wände des Turms strahlten bereits winterliche Kälte aus, doch Albrecht fror nicht. Sein Blick hing an dem leuchtenden Punkt im Nachthimmel. Sie würde da sein – dessen war er sich gewiss. Das Erntefest zu Michaeli war für die Bauern einer der wichtigsten Höhepunkte des Jahres. Das verpasste keiner, der laufen konnte.
    Er hatte Erkundigungen eingeholt, zu welchem Kirchspiel ihr Dorf gehörte. Zwei Tage noch, dann würde er sie wiedersehen, und wiedersehen musste er sie. Die letzten Wochen waren kaum zu ertragen gewesen.
    Auch jetzt, während er den Stern anschaute, klopfte sein Herz schwer und sehnsuchtsvoll. Sie würde sicher mit ihrem Vater erscheinen, dem alten Griesgram, und ohne Zweifel mit einer ganzen Horde von Verehrern im Gefolge – diesen Hannes Rebmann eingeschlossen. Wahrscheinlich würde ihm, Albrecht, nur der Anblick ihrer elfenhaften Gestalt vergönnt sein ... abermit etwas Glück vielleicht auch ein Blick in ihre samtbraunen Augen, die ihn so verzaubert hatten.
    Er seufzte. »Holder Abendstern«, wisperte er, »wie fern bist du mir ...« Dann musste er lachen. »Narr«, wies er sich zurecht, »seit wann verlierst du dich in tatenlosen Schwärmereien? Sei gescheit und überlege, wie du sie für dich einnehmen kannst!«
    Sie war nicht die erste Bauerntochter, der seine Begierde galt – beileibe nicht. Schon seit er herangewachsen war, hatte er es gerne mit Dorfmädchen getrieben; die waren unkompliziert und am Ende der Leidenschaft leicht wieder loszuwerden. Aber diesmal war alles anders. Noch nie hatte eine sein Feuer zu so lodernder Glut angefacht. Noch nie hatte er sich nach einer so verzehrt wie nach ihr.
    Auch eine gewöhnliche Bauerndirne war sie keineswegs. Schon vom ersten Augenblick an hatte er den Eindruck gehabt, dass er es bei ihr nicht leicht haben würde – was ihn umso mehr reizte. Sie hielt ihn für einen Herumtreiber, dem nicht zu trauen war. Und diesen Eindruck würde er nachträglich auch so einfach nicht mehr entkräften können. Warum zum Teufel hatte er ihr bloß einen falschen Namen genannt, damals auf dem Waldweg? Warum hatte er vor ihr verborgen, dass er einer vom Adel war?
    Andererseits – würde es für einen Ritter leichter sein, sie ins Heu zu locken zu einem erlösenden Liebesspiel? Er bezweifelte es. Was tun in dieser verfahrenen Lage?
    Er würde seine Verkleidung beibehalten müssen, wenn er nicht vor ihr als Lügner dastehen wollte. Außerdem – der Bürger Albrecht Hund aus Schwarzental konnte sich ihr eher nähern als der burggesessene Albrecht Wolf von Weißenstein. Vor Albrecht Hund hatte sie keine Scheu. Ein Wolf von Weißenstein dagegen konnte nur Furcht und Misstrauen bei ihr wecken – das spürte er.
    Albrecht erhob sich vom Fenstersitz und begann im Turmgemachhin- und herzugehen. Nein, aus Angst sollte sie sich ihm nicht ergeben.

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