Blutiger Klee: Roman (German Edition)
schöntun. Das
können sie gut bei uns.«
Die alten
Geschichten, dachte Pestallozzi, die jeder kennt und irgendwie einmal schon so gehört
hat. In der Stadt war das Vergessen leichter, aber am Land hockte man aufeinander
und musste jeden Tag den verhassten Nachbarn und seine Kinder und Kindeskinder ertragen.
Und irgendwann wurden die Rechnungen dann beglichen.
Krinzinger
schnaufte und schob sich die letzte Schokobrezel in den Mund, aber er hatte noch
nicht zu Ende gewettert.
»Und die
anderen, die aus ihrem verwanzten Wirtshaus ein Viersternehotel gemacht haben, das
waren auch keine Menschenfreunde, das könnt’s mir glauben, Kollegen. Meine Mutter
ist Aushilfe gewesen im ›Kaiserpark‹, wie das noch ein ganz kleiner Betrieb war.
Da sind Almosen gezahlt worden weit unterm Mindestlohn, und wem’s nicht gepasst
hat, der hat ja zusammenpacken und gehen können. So war das. Aber heute gehn die
jungen Leut’ in die Stadt, und jetzt müssen’s schauen, wo sie ihr Personal herkriegen.
Die neuen Besitzer vom ›Kaiserpark‹ müssen sogar in Deutschland inserieren.«
Das vergönn
ich ihnen, hätte er gerne noch gesagt, der Krinzinger, aber er verschluckte es im
letzten Moment, es stand ihm sowieso ins Gesicht geschrieben.
»Die Suse
vom Espresso unten haben wir schon kennengelernt«, sagte Pestallozzi.
»Die ist
tüchtig. Und manchmal verdient sie sich was dazu, na ja, Sie verstehen mich schon.
Aber das sind nur so Gerüchte.«
Pestallozzi
ging nicht näher darauf ein. Ein Mord war passiert, oben im Wald, und hier unten
wurden auch schon flugs Menschen denunziert, die höchstwahrscheinlich nicht das
Geringste damit zu tun hatten. Mit einem einzigen Satz, der sich festsetzte und
nicht mehr rückrufbar war, wie eine Verleumdung im Internet.
»Der Gleinegg
war also …«, brachte er Krinzinger wieder auf Kurs.
»Der Gleinegg
war kein Guter nicht, ganz bestimmt nicht. Aber die anderen da sind auch nicht viel
besser. Wenigstens die meisten.«
Krinzinger
hatte gesagt, was zu sagen war. Herausfordernd sah er die Kollegen aus der Stadt
an. Die kamen hierher und glaubten, dass es so einfach war, dazusitzen und in einem
kleinen Ort für Ordnung zu sorgen. Aber so lief’s nicht. Umso mehr, wenn man selber
ein lediges Kind gewesen war, das der Pfarrer im Religionsunterricht immer schief
angeschaut hatte. Was hatten die schon für eine Ahnung!
»Das war
sehr aufschlussreich, Inspektor Krinzinger. Und danke für den Kaffee!«
Pestallozzi
erhob sich, Leo stand ebenfalls auf. Krinzinger stemmte sich hinter seinem Schreibtisch
in die Höhe. Verdammt, vielleicht hätte er doch besser seine Zunge hüten sollen,
die aus der Stadt hielten ihn jetzt bestimmt für ein geschwätziges altes Waschweib.
Und dann, er hätte es beinahe vergessen, war da noch diese Sache, die musste er
unbedingt loswerden. Er räusperte sich. »Ja, also, eh ich es vergesse, der Holzinger,
das ist unser Direktor vom Fremdenverkehrsverein, der möchte unbedingt mit Ihnen
sprechen, er hat mich schon dreimal angerufen deswegen. Er würde jederzeit herkommen,
ich brauch ihm nur zu sagen, wann Sie Zeit haben.«
Krinzinger
verstummte und fühlte sich noch unbehaglicher. Jetzt hielten die ihn wahrscheinlich
für so eine Art Laufburschen, dabei hätte er diesen Lackaffen von einem Holzinger
sowieso am liebsten an die nächste Wand gepickt. Aber der Holzinger war ein mächtiger
Mann im Ort, wenn der dreimal anrief, dann konnte man das nicht einfach vergessen.
Zum Glück blieb der Chefinspektor freundlich, Krinzinger registrierte es mit Erleichterung.
Nur sein Hemd unter der Uniformjacke war schon ganz verschwitzt.
»Das geht
in Ordnung«, sagte Pestallozzi. »Und dieser Herr Holzinger braucht auch gar nicht
herzukommen, wir werden bei ihm vorbeischauen. Wo findet man den?«
»Gleich
neben dem ›Kaiserpark‹, Sie finden das ganz leicht. Unten ist die Tourismusinformation,
und darüber hat der Holzinger sein Büro.«
»Danke,
das wär es dann fürs Erste, Kollege. Sie leisten hier wirklich ganze Arbeit.«
Krinzinger
salutierte, verlegen und beinahe erschrocken über das Lob, dann verließen Pestallozzi
und Leo das kleine Büro. In der Tür drehte sich Pestallozzi noch einmal um. »Ihr
Kollege heißt doch Gmoser? Ist der mit einem Patrick Gmoser verwandt?«
»Das ist
der Sohn von seinem Schwager.«
»Ah ja.
Ein netter Bursch.«
Krinzinger
nickte eifrig. »Und tüchtig. Nur leider fährt er manchmal ein bissel schnell. Aber
er liebt halt Autos, mehr als
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