Blutiger Klee: Roman (German Edition)
von mir, die ist genau wie du seit dem vergangenen
Jahr geschieden. Also, ich will dich ja bestimmt nicht verkuppeln, aber als deine
Schwester sage ich dir, dass es …« Er hatte auf der Stelle Kopfschmerzen bekommen
und die Moni ausnahmsweise ziemlich scharf angeblafft. Eine ganze Woche lang war
sie beleidigt gewesen, dann hatten sie sich wieder versöhnt, zum Glück.
Er schreckte
hoch, die Warteschlange war ordentlich vorangekommen während seines Gegrübels. Das
verliebte Paar bestellte gerade Weißwürste mit süßem Senf, nur noch ein Schritt
trennte ihn vom Tresen. Er konnte bereits seine geliebten Bratwürstel sehen und
riechen, Fettspritzer zerplatzten wie Minibomben auf der heißen Ofenplatte. Was
für eine Wonne – Koriander und Zitronengras konnten ihm echt gestohlen bleiben!
»Herr Pestallozzi!«
Diese befehlsgewohnte
Frauenstimme kannte er, eine düstere Ahnung stieg in ihm hoch. Er drehte sich vorsichtig
um – und da prangte sie, Valerie Grabner, die Frau vom Präsidenten, in ihrer ganzen
Pracht. Sie stand mindestens fünf Schritte entfernt von ihm vor dem Stand, an dem
sündteurer französischer Brie in Spanschächtelchen verkauft wurde. Und es war ihr
deutlich anzusehen, dass sie keinerlei Absicht hegte, Pestallozzi weiter entgegenzukommen,
sondern seine Annäherung erwartete, sozusagen. Verdammt, aber es blieb ihm gar nichts
anderes übrig. Er musste den vordersten Platz in der Warteschlange räumen und hocherfreut
die Frau seines Chefs ansteuern, alles andere wäre einfach zu unhöflich gewesen
– freundlich mit einem Bratwürstel zu winken, zum Beispiel.
»Guten Tag,
gnädige Frau!«
Sie nickte
huldvoll und musterte ihn eingehend. Wie sie sein Defensivstyling einschätzte, war
ihr nicht anzusehen. Valerie Grabner war eine Dame vom Scheitel bis zur Sohle. Wenigstens
war sie nicht in Loden gehüllt, sondern trug ein lila-grau getüpfeltes Kostüm, an
dessen Jacke schneckenförmige Goldknöpfe glänzten. Dies schien so eine Art Uniform
von ihr zu sein. Einmal war er mit Iris dem Ehepaar Grabner begegnet, man hatte
kurz Konversation gemacht, beim Weitergehen war Iris völlig hin und weg gewesen.
»Ein echtes Chanelkostüm!«, hatte sie gehaucht und einen Preis dafür genannt, der
nur ein völliger Irrtum gewesen sein konnte. Oder vielleicht doch nicht? Die Frau
sah wirklich teuer aus.
»Wir haben
heute schon von Ihnen geredet«, informierte ihn Valerie Grabner.
Pestallozzi
versuchte, nicht allzu verblüfft dreinzusehen. Der Präsident redete beim Frühstück
über ihn?
»Die Henriette
hat mich angerufen. Sie waren ja gestern bei ihr, nicht wahr? Jedenfalls scheinen
Sie einen gewissen Eindruck hinterlassen zu haben!«
Die Frau
vom Chef war mit der Henriette Gleinegg befreundet? Oder wenigstens so weit bekannt,
dass sich die Damen duzten? Und was wurde jetzt als Antwort von ihm erwartet? Pestallozzi
entschied sich für stoisches Abwarten.
»Sie sind
doch der leitende Beamte im Fall Gleinegg, nicht wahr? Eine furchtbare Sache, wir
waren alle ganz schockiert. Ich kenne die Henriette aus dem Vorstand vom Verein
für Schmetterlingskinder, wir organisieren immer die jährliche Charity-Gala im Festspielhaus
gemeinsam. Die Ärmste!«
Pestallozzi
nickte möglichst gefühlvoll. Den Markt am Universitätsplatz würde er in nächster
Zeit konsequent meiden, zum Glück gab es drüben in der Linzer Straße angeblich ebenfalls
ganz köstliche Bratwürstel. Jedenfalls hatte ihm das der Leo erzählt.
Valerie
Grabner schien etwas zu überlegen. So lange hatte sie sich noch nie mit ihm, einem
Untergebenen ihres Mannes, aufgehalten. Aber die Verantwortung für den Fall vom
Herrn Baron schien offenbar auch einen kleinen Chefinspektor gesellschaftlich aufzuwerten.
»Tja dann,
ich muss weiter, wir haben heute Gäste.«
Sie nickte
ihm huldvoll zu und wandte sich zum Gehen. Doch dann blieb sie noch einmal stehen,
als ob ihr soeben eine Idee gekommen wäre. Valerie Grabner war eine sehr schlechte
Schauspielerin.
»Ach, Herr
Pestallozzi, da fällt mir gerade ein. Wir geben am Donnerstagabend einen kleinen
Cocktail, nur ganz privat. Kommen Sie doch auf einen Sprung vorbei.« Sie musterte
ihn nochmals. »Abendanzug bitte, aber leger.«
Mit dieser
geheimnisvollen Anweisung ließ sie ihn endgültig stehen, Pestallozzi verneigte sich
vor ihrer getüpfelten Rückenansicht. Er atmete tief durch, dann sah er wieder zum
Würstelstand hinüber. Die Warteschlange wand sich mittlerweile fast über den halben
Markt, kein
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