Blutiger Klee: Roman (German Edition)
Sie waren einen Riesenschritt
weitergekommen, auch wenn das Messer und das Kuvert noch nicht im Labor untersucht
worden waren. Heute war entschieden kein Tag für gemütliche Pausen.
Pestallozzi
deutete hinters Haus. Sie gingen über den großen Gästeparkplatz, auf dem noch immer
eine ansehnliche Anzahl von Autos stand, hauptsächlich mit italienischen und deutschen
Kennzeichen, ein paar Wiener und Ungarn waren auch dabei. Eine niedere Hecke trennte
den Platz von einer weiteren Fläche, auf der Lieferwagen und kleine japanische Dosen
standen, typische Frauenwagen, in die Leo nur unter einer vorgehaltenen Pistole
einsteigen würde. Zwei Fahrräder waren an einem eisernen Pfosten angekettet. Ein
Moped stand hinter dem letzten Lieferwagen in der Reihe, es glänzte und funkelte
und zeugte von der hingebungsvollen Pflege seines Besitzers. Der Lenker stach sofort
ins Auge, er war viel höher und breiter als die üblichen Modelle und zwang den Fahrer
ganz bestimmt zu einer kerzengeraden Haltung. Pestallozzi blieb stehen und musterte
das Moped, Leo notierte sein Kennzeichen.
Ein Mädchen
mit tomatenroten Haaren kam auf den Parkplatz, vielleicht 16 oder 17 Jahre alt.
Neugierig sah es zu ihnen herüber, dann machte es sich an einem der Radschlösser
zu schaffen. Pestallozzi nickte Leo auffordernd zu. Der schlenderte betont lässig
auf das Mädchen zu. »Hallo! Kannst du uns vielleicht sagen, wem das Moped gehört?«
Sie schwankte
zwischen flapsig und geschmeichelt. »Welches? Das dort drüben?«
Leo nickte
und deutete auf das einzige Moped am Platz.
»Das gehört
dem Fabi. Dem Fabian. Der arbeitet bei uns in der Küche.«
»Danke.«
Knapp und sachlich. Leo schlenderte zum Chef zurück, der hatte sowieso alles mitgehört.
Das Mädchen mit den tomatenroten Haaren stand unschlüssig da, dann schwang es sich
auf das Fahrrad und fuhr davon, schon bei der Ausfahrt zur Straße nestelte es sein
Handy hervor.
»Also dann.«
Pestallozzi ging voraus, Leo hinterdrein, so betraten sie das ›Kaiserpark‹.
Bei ihrem
ersten Besuch waren sie einfach durchs Foyer in die Küche gegangen, vorher hatten
sie auf der Terrasse ein paar Würstel verdrückt. Aber jetzt sahen sie sich mit anderen
Augen um. Das berühmte ›Kaiserpark‹ war erst vor drei Saisonen von Grund auf renoviert
worden, mit dem Geld einer Schweizer Investmentgruppe. Und die hatte es an nichts
fehlen lassen. Das Foyer hätte genauso gut in Lech oder Zürs oder Kitzbühel Gäste
empfangen können. Lederfauteuils gruppierten sich um einen offenen Kamin, in dem
jetzt allerdings ein Gesteck aus Ästen, roten Hagebutten und Sonnenblumen stand.
Internationale Zeitungen lagen auf den kleinen Tischen, ein roter Teppich wies den
Weg zur holzgetäfelten Rezeption. Leise Musik drang aus unsichtbaren Lautsprechern,
warmes Licht strahlte von oben aus 100 kleinen Lämpchen. Im ›Kaiserpark‹ schien
immer die Sonne. Sie marschierten auf die Rezeption zu, der Teppich dämpfte ihre
Schritte. Die junge Frau im dunkelblauen Kostüm sah ihnen erwartungsvoll entgegen
und knipste ihr strahlendstes Lächeln an. Offenbar war sie eine der wenigen im Ort,
die noch nicht wusste, wen sie da vor sich hatte.
»Guten Tag,
herzlich willkommen im ›Kaiserpark‹. Mein Name ist Stefanie, was kann ich für Sie
tun?«
Pestallozzi
lächelte zurück, als ob er gleich die Kaisersuite mit Whirlpool reservieren würde.
»Guten Tag,
Stefanie. Wir würden gerne mit dem Hotelchef sprechen, ich glaube, Herr Klose ist
sein Name. Wir haben schon einmal kurz miteinander gesprochen.«
Sie wirkte
einen Moment lang verwirrt, dann war sie wieder professionell. In einem Fünfsternehotel
wie dem ›Kaiserpark‹ standen nur Absolventen von erstklassigen Tourismusfachhochschulen
an der Rezeption.
»Das tut
mir sehr leid, aber Herr Direktor Klose befindet sich gerade auf einem Seminar in
St. Gallen. Doch ich könnte seinen Stellvertreter verständigen, Herrn Blücher. Wenn
Sie sich bitte einen Moment gedulden wollen? Wie waren Ihre Namen?«
Pestallozzi
lächelte. »Pestallozzi und Attwenger. Ich bin mir sicher, Herr Blücher weiß Bescheid.«
Die junge
Frau verschwand in einem Raum hinter der Rezeption, sie verhandelte kurz am Telefon,
offenbar mit einer Sekretärin. Dann erschien sie wieder mit ihrem strahlenden Lächeln,
das sie offenbar erst spätabends ausknipste.
»Herr Blücher
wird sofort bei Ihnen sein. Darf ich Sie bitten, kurz Platz zu nehmen? Kann ich
Ihnen etwas bringen lassen, einen Kaffee vielleicht
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