Blutiger Klee: Roman (German Edition)
hätte
mir leid getan, wenn es Probleme mit ihm geben würde.«
»Kein Grund
dazu. Wir finden schon hinaus. Auf Wiedersehen!«
Sie ließen
Edi Schmutz in seinem Büro zurück und gingen durch die Küche hinaus. Niemand sprach
ein Wort, alle Mitarbeiter waren tief über Pfannen und Bretter gebeugt und offenbar
voll mit Rühren und Abschmecken beschäftigt. Auch vom Fabian Loibner bekamen sie
nur den Rücken zu sehen. Dafür stand Direktor Blücher noch immer an der Rezeption,
obwohl doch sein Team angeblich auf ihn wartete. Er kam sofort auf sie zu.
»Sind Ihre
Fragen beantwortet worden? Ich hoffe natürlich sehr, dass ich den jungen Loibner
nicht vor die Tür setzen muss! Der Bengel hat doch nichts Ernsthaftes ausgefressen,
oder?«
Direktor
Blücher schenkte ihnen ein breites Lächeln, aber die Anspannung lauerte gleich dahinter.
»Nichts
dergleichen«, beruhigte ihn Pestallozzi. »Aus dem Fabian wird bestimmt noch ein
guter Patissier.«
›Patissier‹
… mit was für Wörtern der Chef so lässig um sich warf! War das jetzt ein Bäcker?
Oder der Typ, der sich um die Weine kümmerte? Nö, das war doch der Sommelier. Leo
grübelte vor sich hin.
»Ach Leo,
ich komme gleich nach, ja?«
Pestallozzi
sah ihn freundlich an, Leo starrte verdattert zurück. Was war das jetzt, wieso wurde
er weggeschickt wie ein Lehrling? Er nickte Blücher lässig zu und stakste nach draußen,
so cool wie möglich. Pestallozzi wandte sich nochmals an den stellvertretenden Direktor
des ›Kaiserpark‹.
»In Ihrer
Dependance ist eine Gruppe junger Amerikaner abgestiegen, nicht wahr?«
Blüchers
aufgesetzte Heiterkeit war wie weggewischt, er senkte die Stimme. »Allerdings. Sehr
nette junge Leute. Sie sind vorige Woche angereist und werden uns übermorgen wieder
verlassen. Ich vermute, Sie wissen Bescheid.«
Pestallozzi
überhörte diese Vertraulichkeit. »Ich hätte gerne mit ihnen gesprochen. Haben Sie
eine Ahnung, wo ich sie antreffen kann? Am See vielleicht oder im Hotel?«
Blücher
kam noch näher, Pestallozzi widerstand dem Wunsch, einen Schritt zurückzutreten.
»Die Gruppe
ist heute an den Traunsee gefahren. Sie wissen schon …«
Pestallozzi
wartete ab. Blücher warf einen Blick nach links und nach rechts, aber zum Glück
sah keiner der Gäste her.
»In das
ehemalige KZ. Sie machen dort eine Führung.«
»Ah ja,
sehr interessant. Und morgen? Ist für morgen schon eine Unternehmung geplant?«
»Soviel
ich weiß, nicht. Das heißt, für morgen Nachmittag ist in unserem Gartenbereich ein
Barbecue bestellt worden. Von der Dame vom ›Jewish Welcome Service‹, die diese Reise
begleitet.«
»Ausgezeichnet,
dann werde ich morgen vorbeischauen. Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Sie schüttelten
einander die Hand. Vizedirektor Blücher sah drein, als ob er unverzüglich eine Klangschalenmassage
mit Ayurveda-Beschwörungsformeln benötigen würde.
Pestallozzi
verließ das ›Kaiserpark‹, nicht ohne den jungen Frauen an der Rezeption grüßend
zuzunicken. Leo stand breitbeinig auf den Stufen vor dem Eingang und überblickte
das Ortszentrum wie ein Sheriff. Pestallozzis Mundwinkel zuckten, dann war er wieder
ernst. Er stupste den Jüngeren von hinten an die Schulter. »Komm, lass uns ein paar
Schritte gehen.« Leo gab das Schmollen in der Sekunde auf.
Sie überquerten
den Platz vor dem ›Kaiserpark‹ und gingen hinüber zur Uferpromenade, zwei hochgewachsene
Männer mit dunklen Haaren, der ältere ging ein wenig nachlässig krumm, der jüngere
sah aus, als ob er seine Schritte ständig zügeln musste, um nicht zu tänzeln und
zu hüpfen. Die Frauen sahen ihnen nach, Urlauberinnen von den Balkonen des ›Kaiserpark‹
aus, die Kellnerin Suse aus ihrem Café heraus, wo sie gerade die Fensterbänke wischte.
Was für fesche Kerle das waren, die zwei. So unterschiedlich und doch so männlich,
alle beide. Ob die wohl eine Frau hatten oder eine Freundin? Bestimmt, die besten
Männer waren immer schon vergeben, ein alter Hut. Die Kellnerin Suse seufzte und
beschloss, sich einen kleinen Prosecco und eine Zigarette zu vergönnen. Die Urlauberinnen
auf den Balkonen wandten sich wieder der Sonne zu, die blass gegen den Nebel ankämpfte.
Ob die Tagescreme ausreichen würde? Oder doch besser einen Sonnenschutzfaktor 5
auftragen? In die Dampfkammer, oder sich zum Spazierengehen aufraffen? Erholung
war eine anstrengende Angelegenheit.
Pestallozzi
und Leo hatten keine Ahnung, wie viele Seufzer sie auslösten. Sie gingen am
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