Blutiger Klee: Roman (German Edition)
Bildschirm aufblinkten. Sie hatte dutzende Fragen über ihre
Vorlieben und Wünsche angeklickt, außerdem ihre Kreditkartennummer eingegeben. Daraufhin
war eine Liste mit Namen erschienen und dazugehörigen Fotos. Die Männer auf den
Fotos hatten nur mehr sehr wenig Ähnlichkeit mit den George-Clooney-Typen gehabt,
mit denen die Partnerschaftsbörse auf ihrer Website warb. Aber sie hatte nicht gekniffen,
sondern schnell entschlossen zwei von ihnen angeschrieben und sich verabredet. Zu
diesem Zeitpunkt war sie schon leicht betrunken gewesen, weil sie bereits den zweiten
Piccolosekt geleert hatte.
Mit dem
ersten Kandidaten, einem Rechtsanwalt, hatte sie sich im Kaffeehaus getroffen, abgehetzt
nach einem aufreibenden Arbeitstag. Sie hatte die Situation als schrecklich peinlich
empfunden, aber Harry, der Rechtsanwalt, war völlig locker gewesen. Man hatte geplaudert
und Irish Coffee getrunken, dann hatte sich Harry interessiert über den Tisch gebeugt.
»Sie sind Ärztin, nicht wahr? Das ist in Ihrem Profil gestanden. Allgemeinmedizinerin
oder haben Sie sich spezialisiert?«
Sie hatte
kurz gezögert und dann die Wahrheit gesagt, was sonst. »Ich bin Gerichtsmedizinerin
und Pathologin.«
Harry hatte
sie daraufhin so schockiert-fasziniert angestarrt wie ein Wesen mit zwei Köpfen.
»Wirklich? Ganz im Ernst? Also das ist wirklich, nun ja, wie soll ich sagen, also
das ist wirklich höchst interessant! Was für ein ungewöhnlicher Beruf für eine Frau!«
Er hatte
sie dann noch über alle möglichen Details aushorchen wollen, wie fast jeder, der
von ihrem Arbeitsbereich erfuhr. »Sie sezieren wirklich Leichen? Stinkt das nicht
furchtbar? Kriechen da nicht überall Maden herum?« Endlich hatten sie sich verabschiedet
und Harry war davongehastet. Sie hatte sich richtig vorstellen können, wie er anschließend
zum Handy gegriffen hatte, um seine Freunde anzurufen. »Du, stell dir vor, wem ich
gerade gegenübergesessen bin! Einer Gerichtsmedizinerin, ganz im Ernst, so einer
Leichenschnippslerin. Hat ganz unscheinbar ausgesehen, also der hätte ich das nie
zugetraut. Wahnsinn, was?« Sie hatte nie wieder von ihm gehört.
Das zweite
Treffen war ähnlich verlaufen. Im Kaffeehaus, nur war ihr statt Harry, dem Rechtsanwalt,
ein Beamter der Landesregierung namens Bernhard mit seinen Fragen auf den Leib gerückt.
»Wie lange
sind Sie schon alleine, haben Sie Kinder? Was machen Sie denn so beruflich?«
»Ich bin
Zahnärztin«, hatte sie feige geantwortet und sich verabschiedet.
Auch Bernhard,
der Ministerialrat, hatte sich nie wieder gemeldet, zum Glück. Seither klickte sie
die Mails der Partnerschaftsbörse immer weg, auch wenn die nicht locker ließen:
›Frau Kleinschmidt, wir haben neue Vorschläge für Sie.‹ Vielen Dank, sie blieb lieber
allein. Das heißt, sie war ja gar nicht allein. Sie hatte ihre Kinder. Und demnächst
vielleicht sogar einen Hund. Ein Hund würde sich an sie kuscheln und ihre kalten
Füße wärmen. Möglicherweise doch nicht so eine schlechte Idee. Man müsste natürlich
…
Es klopfte,
Kajetan steckte den Kopf zur Tür herein. »Könnten Sie kurz ins Labor kommen, Frau
Doktor?«
Und sie
hatte ihre Arbeit.
*
Das Präsidium summte wie ein Bienenstock.
In Wien wurde gerade die Regierung umgebildet, die Tür zum Zimmer vom Präsidenten
war schon seit über einer Stunde ausnahmsweise geschlossen. Ab und zu konnte man
Grabners Stimme hören, der gerade »Küss die Hand« oder »Meine Verehrung, Herr Hofrat«
dröhnte. Pestallozzi vernahm es mit einem Schmunzeln und außerdem mit Erleichterung.
Der Chef war mit Antichambrieren beschäftigt, gut so! Dann konnte er selbst ungestört
seine Ermittlungen weiterführen und vielleicht, vielleicht sogar zu einem Ende bringen.
Denn das Ende war nah. Dann schüttelte Pestallozzi über sich selbst den Kopf. Das
Ende war nah – was für ein theatralischer Gedankengang!
Auf dem
Schreibtisch vor ihm lag der Bericht ausgedruckt, den Lisa gemailt hatte. Der Stichkanal
stammte zu 99, 9 Prozent vom Messer, das sich in der Küche vom ›Kaiserpark‹ gefunden
hatte. Das überraschte ihn nicht. Der Jakob Rittlinger hatte es auf einem Foto ebenfalls
ohne zu zögern als das Jausenmesser vom Herrn Baron wiedererkannt, das ihm vom Krinzinger
vorgelegt worden war. Die Mordwaffe in natura hatte Pestallozzi dem alten Mann nicht
zumuten wollen.
Außerdem
hatte Lisa noch einige Anmerkungen zu ihrem Gespräch im Kaffeehaus hinzugefügt.
Und ihm einen Namen genannt, den er
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