Blutiger Segen: Der 1. SEAN DOYLE Thriller (German Edition)
Blick schließlich an der tiefen Narbe auf der linken Seite hängen blieb. Doyle kratzte unbewusst daran und trank weiter. Ob sie Lust auf einen Drink habe, wollte er von ihr wissen, als sie das Büro verließen, aber er schien gar nicht in Stimmung für ein Gespräch zu sein, dachte sie, während sie selbst einen Schluck trank und mit dem Zeigefinger den Rand des Glases nachzeichnete.
»Wenn wir zusammenarbeiten wollen, können wir ebenso gut versuchen, miteinander auszukommen«, erklärte sie, nachdem sie die Stille zwischen ihnen und Doyles scheinbare Gleichgültigkeit leid war. Er wirkte distanziert, als seien seine Gedanken weit weg von dem Pub und der Musik.
Er nickte zögernd.
»Liegt es an mir?«
Er sah sie verwirrt an.
»Du hast kaum ein Wort gesagt, seit wir Westleys Büro verlassen haben.«
»Ich habe über etwas nachgedacht«, sagte er zu ihr.
»Maguire?«
»Maguire. Seine Abtrünnigen. Über den ganzen beschissenen Job.« Er trank noch einen Schluck. »Westley und Donaldson sind verrückt, wenn sie glauben, dass es uns gelingt, ihn zu schnappen.«
»Glaubst du, er wird so schwer aufzuspüren sein?«
»Ihn zu finden, wird nicht das Problem sein, aber ich will verdammt sein, wenn ich kostbare Zeit mit dem Versuch vergeude, ihm seine Irrtümer aufzuzeigen.« Doyle unterlegte seine Worte mit Spott. »Oder dass es in seinem eigenen Interesse ist, wenn er sich stellt. Wenn die Zeit gekommen ist, lege ich ihn um, weil du deinen Arsch drauf verwetten kannst, dass er umgekehrt ebenfalls versuchen wird, uns umzulegen.«
»Donaldson und Westley wird das nicht gefallen.«
»Dann sollen sie ihn finden und verhaften.« Doyle trank aus und holte sich ein neues Glas. Georgina beobachtete ihn, wie er an der Bar stand und einen doppelten Scotch bestellte. Er bezahlte und kam an den Tisch zurück.
»Wie willst du die Sache angehen?«, fragte sie. »Wenn wir da sind.«
Er zuckte die Achseln.
»Verheiratetes Paar«, schlug er vor. »Oder Lebensgefährten. Irgendwas in der Art. Mr. und Mrs. Durchschnitt.«
Sie nickte und fuhr sich durch die Haare, während ihre grünen Augen ihn fixierten.
»Ich habe gehört, sie wollten, dass du dich nach deinem Unfall zur Ruhe setzt«, sagte sie. »Warum hast du’s nicht getan?«
»Um was zu tun? In irgendeinem beschissenen Pflegeheim zu sitzen, meine Narben zu zählen und mir einmal im Monat Invalidenrente abzuholen?« Er schüttelte den Kopf. »Sie wollten, dass ich mich zur Ruhe setze, weil ihnen meine Methoden nicht gefallen haben. Als ich verwundet wurde, gab ihnen das nur einen zusätzlichen Vorwand, mich rauszudrängen. Jedenfalls dachten sie das.«
»Du hattest Glück zu überleben. Warum immer wieder das Leben aufs Spiel setzen? Und erzähl mir nicht, es hat was mit Patriotismus zu tun.«
»Das habe ich nie behauptet. Mir gefällt, was ich tue.« Er sah sie direkt an und wirkte beinahe überrascht, als sie seinem Blick standhielt. »Was ist mit dir? Wie bist du an diesen Job geraten?«
»Ich hab die üblichen Kanäle durchlaufen«, erzählte sie ihm. »Verdeckte Ermittlungen, Zivilstreife. Als sich die Gelegenheit ergab, mich der CTU anzuschließen, habe ich sie genutzt.«
»Warum?«
»Vor zwei Jahren wurde mein Bruder von der IRA getötet. Im Belfaster Stadtzentrum ist eine Bombe hochgegangen. Er hat dabei geholfen, Leute in einen Krankenwagen zu schaffen, als er von einem der Heckenschützen abgeknallt wurde. Er war erst 20.«
»Also geht es für dich um Rache?«
»Ich schätze, so könnte man das sagen. Für dich nicht auch?«
»Es ist nicht Rache, es ist Hass«, sagte er nüchtern. »Ich hätte an jenem Tag in Londonderry sterben müssen. Ärzte meinten, ich hätte angesichts meiner Verletzungen kein Recht zu überleben.« Er schaute in sein Glas, als könnte er im Alkohol seinen nächsten Satz finden. »Seitdem lebe ich von geborgter Zeit. Fragt sich nur, wie lange mir noch bleibt, bis sie abgelaufen ist. Deswegen lebe ich mein Leben von Tag zu Tag. Ich könnte morgen tot sein, warum mir deswegen Gedanken machen? Es hat keinen Sinn, weiter als bis zum nächsten Tag zu schauen.«
»Ich kann mir schon denken, dass die Arbeit mit dir richtig lustig wird, Doyle«, erklärte sie mit einem schmalen Lächeln.
»Dann arbeite nicht mit mir. Warum hast du dich überhaupt freiwillig gemeldet?«
»Weil niemand sonst mit dir losziehen wollte.«
»Und was macht dich so anders?«
»Ich weiß, wie du dich fühlst.«
»Wegen der Sache mit deinem Bruder?« Er
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